CHRISTY DORAN´S NEW BAG Take the Floor and Lift the Roof ********

01. Embarkation (Doran, Amstad), 02. Hurry up´n´wait, 03. Take the Floor and Lift the Roof, 04. Day Fly, 05. For Brasil, 06. For Brasil Part II (Doran), 07. Mesmerized (Doran, Amstad), 08. Embarkation Part II (Doran)

Christy Doran - g, Bruno Amstad - voc, Dominik Burkhalter - dr, Hans-Peter Pfammatter - keyb, Vincent Membrez - minimoog
      
rec 19.-22.04.11
Double Moon DMCHR 71103 2; LC 01221

Diese Band existiert seit 1997, sie hat sechs Alben veröffentlicht - hätte sie sich aufgelöst, hätte sie es mit ihrem Beitrag zum Jazzrock a la Suisse, ja zu dessen Neu-Definition, gut sein lassen können. Ihre Leistung auf diesem Sektor ist unbestritten.
Nach 14 Jahren aber tritt sie auf, als habe sie alles abgeschüttelt, was jemals war. Sie springt den Zuhörer an, ja haut dermaßen auf die Kacke, dass unsereins gar nicht mehr ruhig bleiben kann.
Diese „Dringlichkeit“ des musikalischen Handelns (sicher keine musikalische Kategorie, von Urs Röllin vom Schaffhausen Festival aber zutreffend bezeichnet), hier führt sie 40 Minuten lang Regie.
cover-doran-liftUnd das Schönste: dieser gar nicht mehr so „neue Sack“ explodiert in einem geradezu „nachhaltigen“ Knall. Das Entzücken lässt nämlich nicht nach, wenn man eingehend überprüft, welche Ingredienzen denn so nachdrücklich diese Explosion herbeigeführt haben.
Daß hier „der avantgardistische Elektroniker Aphex Twin mit Tony Williams´ Emergency“ fusioniert haben will - glauben Sie dem Covertext kein Wort! Der energetische Eindruck mag verwandt erscheinen, aber die stilistischen Mittel dazu kommen ganz woanders her.
Am auffallendsten sind majestätische riffs in bester Led Zeppelin-Tradition (in den tracks 2 und 7), die wie Donnerschläge aus dem Gewusel davor und danach emporsteigen. Dieses Gewusel ist Rock´n´roll und Minimal Music entlehnt, an einer Stelle auch Punk (track 4), westafrikanischem HiLife (track 8) oder Ethno-Rhythmen (track 7). Hier intoniert Bruno Amstad eine Art Pseudo Konakol (indische Trommelsprache), „Hurry up´n´wait“ leitet er durch ein Megaphon wie Captain Beefheart ein.
Zitate, Anleihen also überall, und groove switching allerorten! Nichts bleibt, wie es ist, immerfort werden Beats und Tempi modifiziert.
Wie üblich unter Helvetiern arbeit die Rhythmusgruppe mit großem Druck, nach Fabian Kuratli (1970-2008) ist mit Dominik Burkhalter nicht nur ein würdiger Nachfolger, sondern auch ein Co-Produzent gefunden.
Rhythmusgruppe? Zum ersten Male fehlt ein Bassist, an seine Stelle tritt der gute alte Minimoog, bedient von Vincent Membrez - manchmal erkennt man die typischen lines, meist nicht. Sie sind Teilchen in einem Wirbelsturm.

erstellt: 06.10.11
©Michael Rüsenberg, 2011. Alle Rechte vorbehalten