JOHN SCOFIELD/VINCE MENDOZA/METROPOLE ORKEST 54 *****

01. Carlos (Scofield), 02. Jung Parade (Vince Mendoza), 03. Polo Towers (Scofield), 04, Honest I do, 05. Twang, 06. Imagninary Time, 07. Peculiar, 08. Say we did (Mendoza), 09. Out of the City (Scofield)

John Scofield - g, Metropole Orkest, Vince Mendoza - cond, arr (1-5, 7,8); Florian Ross - arr (6), Jim McNeely (9)

rec. 09.03-13.03.2009
Universal/Emarcy 0602527144504; LC-Nr 00699

John Scofield mit Orchester - das gab es schon einmal, 2002 mit dem Radio-Sinfonie-Orchester Frankfurt, der hr Big Band und Arrangments von Mark-Anthony Turnage: „Scorched“, ScofieldOrchestrated.
Eigentlich gab es Scofield mit Orchester schon zweimal, denn „Scorched“ ging 1996 ein erstes Treffen des britischen Komponisten Turnage mit einem der führenden Jazzgitarristenn vorauf: „Blood on the Floor“.
Hier aber ist - zu Vergleichszwecken - „Scorched“ interessant, denn es teilt mit „54“ die Grundidee, Kompositionen von John Scofield für Orchester (plus Big Band) aufzubereiten. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass „Scorched“ bis auf Scofield-Stücke aus den 70ern zurückgreift, während „54“ sich auf die frühen 90er konzentriert, auf Vorlagen aus den ersten Blue Note-Alben wie „Groove Elation“ (1995), „Hand Jive“ (1993) oder „Grace under Pressure“ (1991), das „neueste“ Werk ist „Polo Towers“ aus „Überjam“ von 2001.
So unterschiedlich sie auch sein mögen - wer sie auch nur ein wenig im Kopf hat, wird schwerlich eine Vorstellung davon entwickeln, was ein Orchester damit anfangen soll. Die Kompositionen von John Scofield sind ja formal nicht gerade anspruchsvoll, es sind Sprungbretter für einen großen Solisten, noch dazu vollgesogen mit dem Geruch afro-amerikanischen Mutterbodens. Den rhythmischen Anforderungen kann auch ein Weltklasse-Orchester nicht gewachsen sein.
Die Orchesterleiter (Hugh Wolf und Mark-Anthony Turnage damals, Vince Mendoza heute) weichen diesem Elchtest aus, indem die jeweils eine Jazz-Rhythmusgruppe zulassen, 2002 mit John Patitucci und Peter Erskine.
Aber immer noch: kann das funktionieren?
Wer „54“ hört, wem diese Produktion gefällt - der hat allenfalls die zweitbeste Lösung kennengelernt: obwohl beide Projekte um denselben Kern kreisen (die Gitarren-Stimme von John Scofield und seine Kompositionen) verrät „54“ weitaus weniger Tiefgang.
Das kann nicht an einer unterschiedlichen Qualität der Vorlagen liegen, der Grund ist, das Turnage weitaus mehr zum Thema einfällt als - wie hier - die Stücke mehr oder weniger aufzubrezeln. Mitunter meint man nicht mehr als Filmmusik-Arrangements zu hören. Ja selbst Mendozas eigenen Stücke (beide aus dem ausgezeichneten Album „Instructions Inside“, 1991, wo er noch seine damals typische Hymnenmelodik pflegt), stehen im Schatten der Originale.
Ein weiter Grund liegt in der unterschiedlichen Ausrichtung der beiden Klangkörper. Scofield steht in „Scorched“ kein weiterer Solist aus der eigenen Gattung, sondern nur eine - exzellente - Rhythmusgruppe zur Seite. Die Rhythmusgruppe des Metropole Orkest aus Holland hingegen kann mit Patitucci/Erskine nicht mithalten (man vergleiche nur mal die New Orleans backbeats hier und dort), und Nämliches gilt für alle anderen (Jazz)Solisten - sie fallen gegenüber dem Star zu weit zurück.
„54“ ist gewissermaßen zu jazzig angelegt, um wirklich beeindrucken zu können (zu den günstigen Momenten in dieser Richtung gehört „Imaginary Time“, mit dem Arrangement von Florian Ross).
Das ist schwerlich als Thirdstream zu bezeichnen, der ewige dritte Wege zwischen „Jazz“ und „Klassik“ - „Scorched“ gehört schon eher in diese Klasse.

erstellt: 04.08.10

©Michael Rüsenberg, 2010, Alle Rechte vorbehalten