HUBERT NUSS The Book of Colours ********

01. The three doomed Men (Hubert Nuss), 02. The Colours of Tyrus Wong, 03. Galaxy NGC 300, 04. Night Stars, 05. The Pictures of Charles Blanc-Gatti, 06. Alia, 07. Mirror Universe, 08. For Jamey, 09. The dark Diamond of Donezk, 10. Another Kind of Paris, 11. Coloured Cathedral Daylight, 12. Barry & Ollie, 13. The Art of Dominique Louis, 14. The Water of Life, 15. The Amethyst, 16. Bloomed

Hubert Nuss - p, John Goldsby - b, John Riley - dr
rec. 27.11.08
Pirouet PIT 3051; LC-Nr 12741

Wer die Musik von Marc Copland mag, der wird sich hier zu Hause fühlen. Hubert Nuss teilt mit dem amerikanischen Kollegen nicht nur das Label, sondern auch die Vorliebe für eine reich schattierte (oder seiner Terminologie näher: eine klangfarben-reiche) Harmonik. Im Gegensatz zu Copland spielt Nuss keine Standards und vermeidet den Blues. Beides wünschte man sich von dem 46jährigen Dozenten an der Musikhochschule Köln zu hören, nämlich ob „Musik, Farbe und Licht“, die er metaphorisch zusammenbindet, auch jene Formen zum Leuchten bringen. Man kann es sich leicht ausmalen.
Allen, die bei dieser Musik ins synästhetische Schwärmen geraten, zieht Hubert Nuss sogleich den Boden unter den Füßen weg, in dem er feststellt: „Musik und Farbe haben im wissenschaftlichen Sinn keine Entsprechung, die Wellenlängen von Schall und Licht lassen keine ähnlichen Frequenzverhältnisse erkennen, es besteht allenfalls eine poetische Analogie.“
Sehr schön. Denn von letzter versteht Nuss eine Menge, zumindest in dem Sinne dass er den Eindruck des Poetischen seiner Musik in vielfältiger Weise zu buchstabieren weiß (schon wieder nichts als eine Analogie).
Der WDR-Jazzpreisträger 2008 (im Sektor „Improvisation“) hat sehr genau die Harmonik von Olivier Messaien (1908-1992) studiert, ja er nennt diese CD auch eine „Mini-Enzyklopdie der Messiaen-Modi, die ich verwende.“ Weit mehr als die Hälfte der Stücke gehorchen Messiaen-Skalen, er hat sie jeweils hinter den Kompositionstiteln notiert.
nuss-coverAuch in seinen Widmungen folgt Nuss Wegweisungen der Farblichkeit: „The Colours of Tyrus Wong“ ist dem als Maler in der Filmindustrie berühmt gewordenen Chinesen Tyrus Wong zugedacht, „The Art of Dominique Louis“ dessen Kollegen gleichen Namens, „The Pictures of Charles Blanc-Gatti“ erinnert an den Schweizer Maler und Musiker, und „Barry & Ollie“ zieht den Hut sowohl vor Barry Harris als auch Olivier Messaien - indem es als Calypso daherkommt.
Die Begleit-Rhythmen, delikat dargeboten, sind ein eigenes Kapitel dieser Produktion. Denn Nuss, der eben weniger der horizontalen Entwicklung folgt (also der Melodik), sondern dem vertikalen Prinzip der Schichtung von Tönen zu komplexen Akkorden, ist darauf angewiesen, dass seine schwebende Architektur jazz-stilistisch gut fundiert ist.
Das ewige Verrücken von sanften Akkord-Türmen fiele ins Nichts, es gliche einem neo-impressionistischen Salon, stützte es sich nicht auf klassische Formen der Jazz-Rhythmik. Als da wären, von John Goldsby und John Riley ebenso delikat wie elegant dargeboten: Bossa Nova („The Colours of Tyrus Wong“), uptempo swing („Night Stars“, was für eine Eleganz!), binär, leicht rockig („Galaxy NGC 300“), ein Anflug von New Orleans backbeat in „Mirror Universe“, walking bass in „For Jamey“ und „The Amethyst“, langsamer Shuffle („Another Kind of Paris“) oder der erwähnte Calpypso in „Barry & Ollie“. Ansonsten viel feines rubato wie im Auftaktstück.
Schön, dass sich ein Jazzmusiker soviel Zeit nimmt.

erstellt: 04.10.10

©Michael Rüsenberg, 2010, Alle Rechte vorbehalten