MARIUS NESET A new Dawn *******

01. A new Creation (Neset), 02. Theme from Manmade, 03. Old Poison XI, 04. Taste of Spring, 05. Brighter Times, 06. A Day in the Sparrow´s Life, 07. Morning Mist, 08. The Real Ysj, 09. Theme from Every Little Step



Marius Neset - ts

rec. 01/2021

ACT 9930-2

Im Januar 2021, um seinen 35. Geburtstag herum, nimmt der „Wizzard of Os“ (Os, sein Geburtsort in der Nähe von Bergen, Norwegen) ein Solo-Album auf.
Grund ist das uralte Motiv vieler Jazzmusiker, ohne Kollegen sich auf sich selbst zu beziehen und „so rein und ehrlich zu spielen, wie es nur geht“ - damit reiht sich der Norweger in die Traditionslinie ein.
Auch der Anlass ist kaum ungewöhnlich, Covid 19; da hat auch er Stücke hervorgeholt, die für frühere Gelegenheiten geschrieben waren.
Man kann hier freilich nur wenige erkennen, bestenfalls zwei aus seinem Debütalbum von 2010, nämlich „Old Poison XI“ und „The Real Ysj“.
Ersteres fiel schon damals aus dem Rahmen: im 5/4-Takt und durch intelligente Grifftechnik mit suggerierter Dreistimmigkeit. Vor allem aber durch den ausdrücklichen Hinweis „no overdubs“.
Cover Neset A New Dawn11 Jahre später ist Marius Neset ein anderer.
Es liegt ein beträchtlicher Karrierebogen dazwischen, der ihn als neue Saxophon-Stimme Europas aus einer Startposition an der Seite seines Lehrers Django Bates über diverse Jazzcombo-Formate bis zur London Sinfonietta getragen hat.
Der Mittdreißiger lässt das „alte Gift“ von damals noch in den Grundzügen erkennen, er fällt aber nicht mehr mit der Tür, pardon: mit dem Beat ins Haus.
Er spielt wortwörtlich damit, er spielt es nuancierter.
Ganz ähnlich die „Eckigkeit“ „von The Real Ysj“, ein Thema, das in seiner Lebendigkeit an den „Freedom Jazz Dance“ von Eddie Harris erinnert.
Ansonsten ist, selbstverständlich, auch hier der Einfluss von Michael Brecker prägend, wenngleich reduziert. Marius Neset ist ja ein anderer.
Der opener, „A new Creation“, ein 4-Töne-Thema, das er in ruhiger Weise sequenziert, kommt ohne Brecker-ismen aus.
Überhaupt lässt er es ruhiger angehen. Multiphonics, das Betonen der Obertontreihen durch Überblasen, stellt er nicht (mehr) ostentativ heraus. Neset gibt viel mehr den rhythmischen Melodiker zu erkennen, in „Theme from Manmade“, später in „Taste of Spring“ und „Brighter Times“, wobei gerade in diesen beiden das Melodische in Mustern gereiht vorkommt.
Neset ist ja ein Patternspieler vor dem Herrn, aber eben stets mit seinen eigenen und nicht mit denen, die man als „Herumnudeln“ anderen Hörnern zuschreibt.
Auch Folk-artiges („A Day in the Sparrow´s Life“) gehört seit je zu seinem melodischen Duktus.
„A new dawn“ ist eine angenehm abgeklärte Produktion. Sie widerspricht in allem den Befürchtungen, die sich bei vielen Hörern mit dem Format „Solo Saxophon Album“ einzustellen pflegen.

erstellt: 06.08.21
©Michael Rüsenberg, 2021. Alle Rechte vorbehalten