MIRNA BOGDANOVIC Confrontation *******

01. Melancholia (Bogdanovic) 02. June 03. Never believed 04. Cold Lake 05. July 06. Rain (Pastorius) 07. Confrontation (Bogdanovic) 08. Patterns 09. Changes 10. Knowing nothing



Mirna Bogdanovic - voc, Pauline Peek - voc, Dora Osterloh - voc, Wanja Slavin - ss, as, synth, fl, cl, Povel Widestrand - p, ep, synth, Arne Braun - g, Felix Henkelhausen - b, Fabian Rösch - dr

rec. 2020?
Klaeng Records 054

Hand auf´s Herz: schaut so eine Künstlerin aus, die auf „Confrontation“ gehen will?
I wo! In ihrer Gallery finden sich Fotodokumente (im kleinen Schwarzen, neben Till Brönner) von einem musikalischen Stelldichein bei Frank Walter Steinmeier, auf denen der Bundespräsident noch den Lockersten gibt.
Diese Reduktion erklärt die Künstlerin natürlich genausowenig wie die Wikipedia-Suche, ob sich bei dem Nachnamen Bogdanovic nicht doch eine Verwandtschaft zu dem berühmten Peter B. Finden lässt (Freunde von „Is was Doc?“ oder „Die letzte Vorstellung“ erinnern sich flüchtig.)

Zwar hat PB, geboren in New York, auch serbische Wurzeln, aber er schreibt sich am Ende mit „ch“, wahrscheinlich aber ist in einem bestimmten Abschnitt des Balkan der Name so auffällig wie in Köln der Name Schmitz.
Mirna Bogdanovic jedenfalls wurde in Sarajewo geboren, sie ist slowenisch-bosnischer Abstammung.
Sie hat mit klassischem Piano in Ljubljana begonnen, ist in Klagenfurt auf Jazzgesang umgeschwenkt und hat ihr Studium am Jazzinstitut Berlin beschlossen, bei Judy Niemack, Kurt Rosenwinkel und Greg Cohen, wie es auf ihrer Webseite heißt.
Wie bei allen anderen auch weist ihr Tourneekalender in Zeiten der Pandemie keine Zukunft aus, dafür lässt sie dankenswerterweise ihre diesbezügliche Vergangenheit zurückblenden bis ins Jahr 2014, bis zur Ecuador-Tournee des Bundesjazzorchesters. Bujazzo-Spuren setzen sich fort bis 2016, u.a. mit Niels Klein und John Hollenbeck.
Wer dort mitgewirkt hat, darf Fragen nach dem Handwerk gleich überspringen.
Die Imagination, wie Bogdanovic im Bujazzo wohl geklungen haben mag, lässt sich beim Hören dieses Debutalbums gleichwohl nicht abschütteln. Denn so, wie sie hier singt und vor allem: wie sie hier klingt, hätte sie auch von woanders her kommen können.
cover Bogdanovic„Confrontation“ ist, mit anderen Worten, nur sehr bedingt ein „Jazz“-Album.
Es ist obendrein nicht mal besonders vokal geprägt.
Leider hat sich Frau Bogdanovic vom Berliner Jazzfließband einen Begleittext schreiben lassen, der völlig in die Irre führt:
„Wenn eine Sängerin mit ihrer Stimme den Weg zurück zur Natur findet, dann schließt sich jener Kreis, welcher den Ursprung allen Musizierens symbolisiert“.
Diese Aussage stimmt, sie stimmt aber nur dann, wenn man das Tonstudio und insbesondere die dort mögliche Post-Produktion (also die Manipulation gerade aufgenommenen Tonmaterials) als „Natur“ zu bezeichnen wagt.
Mirna Bogdanovic bewegt sich darin wie ein Fisch im Wasser.
Sie schwimmt in großen Hallräumen, taucht im silbrigen Brackwasser von Vocoder-Klängen, häufig gleichauf mit Synthie, Flöte und zwei weiteren Sängerinnen (Pauline Peek und Dora Osterloh).
Rein assoziativ gibt es dafür keinen besseren Ort als „Klaeng“, das Label des gleichnamigen Kölner Jazzmusiker-Kollektivs. Das ist denkbar weit entfernt von allem, was das Bujazzo je gespielt hat.
Das ist viel näher bestimmten Spielarten des britischen Art Rock; Assoziationen an Henry Cow und Art Bears können auflaufen, aber auch an die Canterbury Scene:  
 „Cold Lake“ und „Knowing Nothing“ könnte man sich gut & gerne bei Dave Stewart & Barbara Gaskin vorstellen.
Sie sind verwandt in dem Bemühen, getragene Pop-Songs üppig im Detail auszustatten, dem Pathos durchaus nicht abgeneigt. Da regnet es Arpeggien, da klingt oft keine „natürliche“ Bassdrum mehr, und die snare ist mit großer Sorgfalt „verwaschen“.
Aber, was die genannten Referenzen nicht hatten, das hat´s hier:
das mit großer Hingabe gespielte Saxophon von Wanja Slavin (ein ergreifendes shouter Alt vor Düster-Ostinato in „Melancholia“, ein Sopran nicht fern von Wayne Shorter in „Changes“). Oder so ein jazziges Piano-Solo wie das von Povel Widestrand in „June“.
Ja, und noch eine Assoziation will das Langzeitgedächtnis einfach nicht aufhören anzubieten: Pop gespielt von Jazzmusikern, gespielt wie von… Schneeweiß & Rosenrot.
Zu deren Nachfolgern Speak Low wiederum erscheint der Abstand größer. Gegenüber Lucia Cadotsch ist, trotz ähnlicher Stimmlage, Mirna Bogdanovic die expressivere Sängerin.
Bis auf „Rain“ hat sie alle Stücke getextet und komponiert. „Rain“ von Jaco Pastorius ist gut gewählt und zeigt einiges ihrer (Jazz)-gesanglichen Qualitäten. (Slavin spielt hier ein ober-cooles Altsax-Solo).
Nachdem Dave Stewart & Barbara Gaskin ihr come back im August 2018 regelrecht versemmelt haben, kann sich unsereins deren Repertoire in Zukunft gut in den Händen von Mirna Bogdanovic, Wanja Slavin & Co vorstellen.

erstellt: 22.12.20
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