ENEMY Enemy ********

01. Prospect of K (Eldh), 02. Race The Sun (Kit Downes), 03. Fogo (Eldh), 04. Brandy , 05. Low Hanging Fruit (Kit Downes), 06. Jinn, 07. Children with Torches (Eldh),  08. Ruster (Downes),  09. Politix, 10. Faster Than Light

Frans Petter Eldh - b, Kit Downes - p, James Maddren - dr, Ruth Goller - bg (2), Lewis Wright - vib (4), Lucy Railton - vc (6), Chris Montague - g (9)

rec. 17./18.10.2016
Edition EDN 1112

Die Philharmonie Köln ist nicht für einen jeden - wie Josef Zawinul (1932-2007) es zum Ausdruck gebracht hätte. Für ihn war sie etwas: mindestens einmal, als er mit Friedrich Gulda (1930-2000) dort zwei Flügel ineinander schob.
Die Philharmonie Köln ist für die Rezeption des Debütalbums des britisch-schwedischen Trios Enemy durchaus von Belang. Am 23. März 2018 gastierte dieser „Feind“, der in Wirklichkeit ein großer Freund des Pablo Held Trios ist, gemeinsam mit jenem dort.
Beide vereint, dass sie stable mates sind, beide sind beim britischen Label Edition Records unter Vertrag. Die Kölner stellten Auszüge aus ihrem nunmehr zehnten Album vor („Investigations“), Enemy aus ihrem kommenden, jetzt veröffentlichten Debüt.
Dabei ist dieses Trio viel älter, als dieses Veröffentlichungsdatum nahelegt. Enemy waren erstmals im Oktober 2015 unterwegs, u.a. in Köln, im Loft; ihr Debüt, produziert im Oktober 2016, war für „Sommer 2017“ angekündigt. Dass man sich mit dem Mischen der basic tracks dann noch mal bis November 2017 Zeit ließ, läßt sich auch als „Wartezeit Überbrücken“ erklären.
Es war ein eher unfreiwilliger Aufschub, hervorgerufen durch die Tatsache, dass von Kit Downes ein Orgel-Solo-Album („Obsidian“) bei einem weltberühmten Münchner Drei-Buchstaben-Label veröffentlichungsreif da lag. Da müssen dann schon mal andere Interessen zurücktreten.
Immerhin kann man nun im Detail nachvollziehen, was im großen Klangraum der Philharmonie Köln neulich eher zu ahnen denn wirklich in der notwendigen „Auflösung“ zu hören war (und was den Kölner Partnern vom Held Trio in ihrer vergleichsweise epischen Erzählform eher entgegenkam).
Detail ist das große Stichwort für Enemy. Und Kontrast. Kontrast durch permanenten Wandel. Das Produkt aus diesen drei Aspekten ist eine Komplexität, die vielen Hörern rasch zu viel sein wird. Man kann sich an kaum etwas halten. Im nächsten Moment wird es fortgerissen, von einem neuen Gedanken, von einer Formulierung in einem anderen Modus.
Die so gern benutzte Metapher vom „gemeinsamen Atmen“ der Beteiligten greift hier überhaupt nicht, die Narrative (jetzt hauen wir aber alle Modeworte raus) haben ein Tempo, dass man den Begriff gleich wieder wegwerfen will.
cover enemy 1Und doch, in den tracks 1, 3, 4 und 7 kann man geradezu mitsingen.
Es sind die Stücke von Frans Petter Eldh, sie alle sind melodisch vom Kinderlied gezeichnet.
Bildlich gesprochen, es sind gut erkennbare Korken, (deren Form sich zwar wandelt, aber nicht so, dass sie völlig zerfiele), die aber heftigst auf brodelndem Gewässer schaukeln.
Paradestück hierfür ist „Brandy“.
Wir kennen das Stück bereits aus dem zweiten Album von Amok Amor
Hier wird eine Version mit zwei Harmonieinstrumenten nachgeliefert, mit Lewis Wright als Gast am Vibraphon. Dass dessen Solo schließlich in einer Echo-Wolke endet, belegt die elektro-akustische Post-Produktion durch Petter Eldh, der sich - wie schon beim letzten Album von Troyka - auch in dieser Hinsicht mehr und mehr profiliert.
Das Klaviersolo in „Children with Torches“ bearbeitet er in ähnlicher Weise; auch strukturell scheint das Stück mit „Brandy“ hinsichtlich des sehr variablen Umgangs mit den Tempi verwandt.
Apropos Troyka; „Politix“, wo der Troyka-Gitarrist Chris Montague gastiert, ist strukturell und klanglich jenem Trio sehr nahe.
„Politix“, eine Jazzrock-Suite, ließe sich leicht im Troyka-Repertoire vorstellen.
James Maddren gehört Troyka nicht an, ist aber sonst an vielen Projekten von Kit Downes beteiligt, ganz früh auch bei Gwilym Simcock. Maddren fiel bisher dadurch auf, dass er Intensität auch bei geringer Lautstärke nicht verliert.
Neu aber, dass er im Gewirr metrischer Modulation bei Enemy alles, aber auch wirklich alles mitzeichnet. Auch er ist jetzt Mitglied der „Milimeterpapier“-Fraktion, als jener, die einen Takt immer wieder anders zergliedern.
Ja, das ist manchmal „Faster than Light“, mit einem Kabinettstückchen dieser Art (und einem Schlagzeugsolo von James Maddren) wird der Zuhörer von Enemy entlassen.
Oscar Peterson ist davon denkbar weit entfernt. Enemy siedeln genau am anderen Ende der Fahnenstange.
Und doch berufen sie sich auf ihn - zumindest bei Konzerten.
Auf der Bühne nämlich nehmen sie im Oscar Peterson-set up Aufstellung: die Rhythmusgruppe im Rücken des Pianisten.
So auch in der Kölner Philharmonie.
Es soll die bessere Hörposition sein und der Intensität dienen.
Damals wie heute.

erstellt: 09.06.18
©Michael Rüsenberg, 2018. Alle Rechte vorbehalten