Münchner G´schichten der Jazzgeschichtsphilosophie (16)

Neulich sprachen sie im WDR-Fernsehen über Rassismus. Ohne die Anwesenheit eines/r Betroffenen.
Als das, nach wiederholter Sendung, auffiel, nahmen die Teilnehmer den shitstorm reuig, ja mit Demut entgegen. Einige setzen sich sogar an die Spitze ihrer Kritiker.
Im Jazz ist das, mal wieder, anders.
Im Jazz dürfen die Betroffenen bei einer Debatte über „Rassismus und Patriarchat“ in San Francisco hübsch unter sich bleiben, denn „das System des Rassismus und des Patriarchats ist ein Gegner, der groß genug ist, um sich an ihm abzuarbeiten“ - findet, mal wieder, Andrian Kreye in der SZ (03.03.21).
„Jazz liefert uns kein strukturelles Modell unserer amerikanischen Demokratie, weil das eine Demokratie ist, die auf dem Ausschluss ganzer Bevölkerungsgruppen basiert. Eine Demokratie, die vor allem Männer repräsentiert. Aber Jazz hilft uns, dass wir uns eine radikale Zukunft vorstellen können…“ (Angela Davis, eine Ikone der Protest-
bewegungen der 60er Jahre in dieser Debatte).
Klingt gut. Übersieht aber die entscheidende Frage, warum und wie ausgerechnet eine spezifische Musizierpraxis, außer sich selbst zu genügen, obendrein eine höchst anspruchsvolle politische Aufgabe schultern sollte.
Das Grundmuster des Jazz sei call and response, sagt Davis.
Klingt auch gut. Nur, auf der Bühne können Musiker einen missliebigen „response“ leicht wegstecken, im realen Leben kann eine Antwort im schlimmsten Falle Leben kosten. Oder vier Jahre einen Wahnsinnigen im höchsten Amt des Staates ertragen, der auf keiner Jazzbühne eine Chance hätte.
Ob es wirklich so war, wie Angela Davis behauptet, dass es in den 40ern viele großartige Musikerinnen gegeben habe, „die dann ihre Instrumente wieder abgeben konnten, als die Männer aus dem Krieg heimkamen“, müsste man empirisch prüfen.
„Daran hat sich nichts geändert“, behauptet die SZ - und überlässt sogleich Terri Lyne Carrington das Wort, die - träfe die Aussage zu - niemals eine berühmte Schlagzeugerin und noch dazu Repräsentantin des afro-amerika-
nischen Establishments in den Jazzakademien (hier Berklee) hätte werden können.
Überhaupt des Akademische. Offenkundig ist bestimmten Kreisen der Rang der Jazzforschung sozusagen gleich nebenan, darunter auch Leistungen etlicher Forscherinnen, unbekannt. Sonst käme man kaum auf die krause Idee, der Jazz habe „kaum noch ein schwarzes Publikum, was auch daran liege, dass viel zu viele Institutionen ihn musealisieren wollten“.
Wer den „call“ aus San Franciso wirklich ernstnehmen will, um zu einem eigenen „response“ zu gelangen, der darf
1 Stunde 59 Minuten und 47 Sekunden investieren, um „Jazz & Race“, (wie die Debatte wirklich hieß) online zu verfolgen.

erstellt: 04.03.21
©Michael Rüsenberg, 2021. Alle Rechte vorbehalten

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