Es war in einem Wiener Kaffehaus, heute früh, wo uns die Nachricht durch einen Gast überbracht wird: Wolfgang Reisinger, einer der großen (soviel Pathos ist erlaubt), einer der großen Jazzsöhne der Stadt, ist tot.
Sofort springen intensive, ja elekrisierende Erinnerungen auf: 1984, Moers Festival, noch in der alten Eissporthalle, Airmail mit Wolfgang Puschnig, as, Harry Pepl, g (1945-2205), Mike Richmond, b und Reisinger.
Ein Quartett, die Erinnerung trügt nicht, das kompetenter swingte als die meisten Amerikaner auf dem Festival.
Dann, natürlich, das Vienna Art Orchestra.
Noch impulsiver, eben dort 1987, die Pat Brothers mit Linda Sharrock, voc, Wolfgang Mitterer, keyb, Wolfgang Puschnig und Reisinger, eine der frühen Begegnungen, nein Konfrontationen von Jazz & Elektronik, in manchen Aspekten bis dato unerreicht.
Reisinger kommt von den Wiener Sängerknaben, er hat mit US-Jazzmusikern wie Dave Liebman gespielt.
Man ist geneigt, aus dieser biografische Klammer seine einzigartige Position zu destillieren: amerikanisches Handwerk, amerikanische time, europäisches Formbewußtsein, europäische Vielfalt.
Dave Liebman bringt es auf den Begriff: im Grund sei Reisinger ein Komponist, der zufällig als Schlagzeuger arbeite.
In nuce: er hat die Errungenschaften eines Jack DeJohnette europäisch ausformuliert. Viele Musiker, viele Hörer haben ihn dafür gefeiert.
Wer seine Discografie nimmt, kann an ihrem Zeitstrahl seit den frühen 80ern über mehrere Jahrzehnte Höhepunkte des österreichischen sowie des europäischen Jazz ablesen. Dazu Ausflüge in die ganz moderne Klassik mit Luciano Berio und den Londoner Sinfonikern.
Wolfgang Reisinger, geboren am 16. Juli 1955 in Wien, starb dortselbst am 8. Juni 2022 an den Folgen eines Aneurysma, er wurde 66 Jahre alt.
erstellt: 09.06.22
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