VITAL INFORMATION Come On In ******

1. Time Tunnel (Smith, Coster, Browne), 2. Come on in (Tom Coster), 3. Beneath the Surface (Smith, Gambale, Coster), 4. Cat Walk (Smith, Browne, Gambale, Coster), 5. Around the World, 6. Soho (Gambale), 7. A little something, 8. From Naples to Heaven, 8. Baton Rouge (Smith, Browne, Gambale, Coster), 9. Fine Line (Smith, Browne, Gambale), 10. High Wire

Frank Gambale
- g, Tom Coster - keyb, acc; Baron Browne - bg, Steve Smith - dr

rec. 16.-24.3.2004
Rough Trade/Mascot Records 394.7098.2; LC-Nr 03090


Vital Information beschreiben
im 21. Jahr den Mainstream des Jazzrock. Das mag für die wechselnden Mitglieder dieses Ensembles ergiebig sein, von grossem Publicity-Wert ist es nicht. Sie arbeiten schliesslich nicht im Weinberg des Herrn, sondern in einer Gattung, die zu den Mundgeruch-Genres abgesackt ist.
Nur noch über FreeJazz wird mehr
Unfug verbreitet als über Jazzrock, dessen Ableben auf Ende der 70er Jahre zu datieren, vielen Kritikern heute beliebt. Sie müssen das Genre nicht mögen. Mainstream-(Jazz) aber zu loben oder zumindest zu tolerieren, Jazzrock hingegen in die Tonne zu treten, ist eine weitverbreitete Form ästhetischer Schizophrenie - bloss weil eine Spielhaltung keine Novitäten mehr auswirft.
Solche, Geistesblitze gar, konnte man bei
Vital Information bis dato nicht finden. Das Quartett, in dieser Besetzung stabil seit 6 Jahren, gehört klar zu den Einfluss-nehmenden und nicht zu den Einfluss-gebenden Ensembles. Es ist weder um einen Mega-Solisten gruppiert, noch fällt es durch ungewöhnliche Instrumentierung auf.
Dafür entschädigt es durch blitzsauberes Handwerk und eine Vielzahl instrumentaler Tugenden, die allemal zu einer unterhaltsamen Performance langen. Seit das Quartett 1998 die stilistischen Mittel ausgeweitet und Standards sowie swing für sich entdeckt hat, lassen sich Vital-Information-Alben bestens
en suite hören.
Das gilt - auch wenn es auf Standards verzichtet - uneingeschränkt auch für "Come On In", die
Nr 11 in der Bandgeschichte. Es startet mit einen Jazzrock-Thema, freilich über swing und lässt eine schöne Errungenschaft nicht aus, dr-solo gegen riff! Ungerade Takte sind Ehrensache: ein New-Orleans-Beat über 9/4 ("Around the World") und 5/4 im Cajun-gesättigten "Baton Rouge". (Der liner-notes-Autor Bill Milkowski will in "Cat Walk" 7/8 hören, mir dringen nur 4/4 ans Ohr; bitte gegenchecken!).
Ein
Shuffle? Yes, Sir - "Soho" kommt eindeutig treibend daher, obenauf Oktavtechnik a la Wes Montgomery.
Jazz-Blues? Gleich im Anschluss, "A little something", die Orgel schwebt Larry-Young-artig ein, das Tempo steigert sich unter dem Orgel-Solo bis in einen double time swing. Sogar ein wenig Ethno, gleichsam homöopathisch, ist vorhanden ("Beneath the Surface").
Kurzum, amtliche Grooves, ein wohlplaziertes, "gut abgehangenes Programm", wie Dr Hoffmann zu sagen beliebt, eine reife Ensemble-Leistung - auch ohne Mega-Solisten.
Dafür beeindruckt
Frank Gambale, der alte Nudel-Chef, immer mehr, seit er hier in den letzten Jahren vom Tempo ablässt und sich vermehrt Noten in Kleingruppen zuwendet. Vermutlich niemand wird Gambale aus einer unbekannten Aufnahme heraushören, aber wie er sich zusehends der Pat-Martino-Tradition zuwendet, die zu den leichtesten nun mal nicht gehört - das hat was!
Und ich möchte obendrein die deutsche Truppe hören, die im Titelstück dieses Albums nicht aus dem Sattel fällt..


©Michael Rüsenberg, 2004, Alle Rechte vorbehalten