VARIOUS ARTISTS A Guitar Supreme. Giant Steps in Fusion Guitar (*****) - (*******)

1. ERIC JOHNSON Resolution (John Coltrane), 2. JEFF RICHMAN Afro Blue (Santamaria), 3. STEVE LUKATHER Crescent (Coltrane), 4. GREG HOWE Giant Steps, 5. MIKE STERN My favorite Things (Rodgers, Hammerstein), 6. FRANK GAMBALE Naima (Coltrane), 7. GREG HOWE Mr. Syms, 8. JEFF RICHMAN Central Park West/Your Lady 9. MIKE STERN Equinox, 10. ROBBEN FORD Village Blues, 11. FRANK GAMBALE Lazy Bird, 12. LARRY CORYELL Satellite

The Band
Jeff Richman - g, Larry Goldings - org, Alphonso Johnson - bg, Tom Brechtlein - dr

rec. 2004
Rough Trade/Mascot Records 394.7102.2; LC-Nr 03090



Der Titel dieses Projektes treibt ein Wortspiel mit zwei Coltrane-Kompositionen: "A Guitar Supreme"
>>> "A Love Supreme", "Giant Steps in Fusion Guitar" >>> "Giant Steps". John Coltrane (1926-1967) hatte nichts mit Gitarristen; insofern ist schon durch die Auswahl der Interpreten dieses Tribut-Albums ein grosser Abstand zu den Originalen garantiert. Ohne einen Ton gehört zu haben, allein mit Blick auf das Repertoire wird zudem deutlich, dass hier nicht der späte, der "FreeJazz"-Coltrane gemeint sein kann, sond ern der "mittlere", der "Atlantic"-Coltrane, die meisten Referenz-Stücke sind 1959/60 entstanden, der "Giant Steps"-Zeit.
Von daher geht auch die Unterzeile in Ordnung, als Wortspiel. Keiner der Beteiligten wird ernsthaft "Giant Steps in Fusion Guitar" 1:1 wörtlich nehmen. Ausser
Mike Stern ist kein stil-prägender Vertreter der Gattung dabei, eher die solide zweite Reihe.
Aber, Achtung, Achtung: was die zu leisten imstande ist, ist
beachtlich. Die Abwesenheit eines potentiellen Kandidaten (Scott Henderson) wird nicht schmerzlich vermisst, denn hier haben wir Greg Howe, der stilistisch zwischen Henderson und Allan Holdsworth pendelt.
Howe stellt die Höhepunkte diese Anthologie. Das Thema von "Giant Steps" stellt er vollständig erst im dritten Durchgang vor, nachdem er zuvor mit
Hendrix-Phrasen interviert hat - ein toller Einfall!
"Mr Syms" dann, aus "Coltrane plays the Blues" (1960), einen langsamen Shuffle-Blues, nimmt Howe ein wenig schneller als das Original (mit Coltrane am Sopran-Saxophon). Das erste Solo hat Larry Goldings, und darin entfaltet sich zum ersten Mal ein Kunstgriff, der diese Interpretion - jenseits der Blues-Form - würzt, nämlich tonale
Rückungen. Howe springt in seinem Solo damit regelrecht herum, zieht das Tempo an, er hat einen Wahnsinns-Ton und schmeckt das Stück mit einem riff ab!
Mike Stern, ein Coltrane head der ersten Stunde, steigt mit dem Standard ein, den Coltrane wie kein zweiter im Jazz popularisiert hat ("My favorite Things"), sein zweiter Beitrag - ebenso funky gespielt - der Blues "Equinox" von 1960. Gleich gefolgt von einem weiteren Blues, "Village Blues" (1960), den Robben Ford eher im Stile des New Orleans Funk interpretiert.
Hatte Coltrane wirklich
nichts mit Gitarristen? Wes Montgomery spielte 1961 kurzzeitig mit ihm, konnte sich aber, zu Coltranes Bedauern, nicht zu einer dauernden Mitgliedschaft in seiner Band entschliessen. Eine Reminiszenz daran mag "Naima" sein, wo Frank Gambale Oktavtechnik a la Montgomery verwendet. Einen so jazzigen Ton hat er sich bei Vital Information angewöhnt, in "Lazy Bird" klingt er wieder fuzzy wie ein Revolver, wohingegen die Begleitcombo eine leichte Jazz-Samba vorlegt - Coltrane goes Westcoast!
Das mutmasslich
schwächste Glied der ganzen Kette produziert die grösste Überraschung: Larry Coryell. Jeff Richman, der nicht nur als Produzent, sondern auch als Arrangeur zeichnet, hat dem Veteranen "Satellite" - ein multi-akkordisches Stück des "Giant Steps"-Typus von 1960 - wunderbar aufgefächert. Es beginnt mit einem heavy rock riff, das Thema zeichnet Alphonso Johnson mit leichter Verzögerung nach; Coryell macht auch improvisatorisch keine schlechte Figur, seine licks sind gut eingebettet.
Coltrane-Kenner mögen monieren, dass dieses Projekt den hymnischen Coltrane, den
Prediger Coltrane, den ausschweifend modal und später frei-tonal Improvisierenden ausklammert. Stimmt. Gitarristen aber, "naturgemäss" möchte man fast sagen, können diesen Idealen schwerlich entsprechen; und ob John McLaughlin & Carlos Santana - wie die Kollegen von "gitarre & bass" suggerieren - auf diesem Sektor so weit fortgeschritten waren, mag man bezweifeln.
Jeff Richman et alii haben sich für den
Komponisten Coltrane einer bestimmten Periode entschieden - und das ist auch gut so, möchten wir mit Klaus Wowereit sagen.

©Michael Rüsenberg, 2004, Alle Rechte vorbehalten