SOFT MACHINE BBC Radio 1971-1974 (***)-(******)

CD 1: 1. As if, 2. Drop, 3. Welcome to Frillsville (Ratledge), 4. Fanfare/All White/MC/Drop (Jenkins/Ratledge/Hopper/Ratledge), 5. Stanley Stamp´s Gibbon Album (Ratledge), 6. Hazard Profile Part 1 (Jenkins)
CD 2: 1. Sinepost (Babbington), 2. Down the Road (Jenkins), 3. North Point (Marshall, Ratledge), 4. The Man who waved at Trains (Ratledge), 5. Hazard Provile part 1-4 (Jenkins)

Elton Dean -
as, ep; Hugh Hopper - bg; Phil Howard - dr, Mike Ratledge - org, ep; John Marshall - dr; Karl Jenkins - ss, bars, oboe, recorder, ep; Roy Babbington - bg; Allan Holdsworth - g

rec 15.11.71 CD 1 tracks 1-3
rec 11.04.71 CD 1 track 4
rec 30.10.73 CD 1 tracks 5-6, CD 2 tracks 1-2
rec 10.06.74 CD 2 tracks 3-6

Hux Records HUX 047
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Irgendwann in den frühen 80ern, als mittels Karl Jenkins´ierung die meisten Spuren schon gelöscht waren, hatte der Mantel der Geschichte ein Erbarmen und nahm sich des Projektes an. Es war auch nicht mehr zum Aushalten, wohin eines der stärksten Kapitel der britischen Musikgeschichte geschlittert war.

Die grausame Einsicht, dass aus dieser wundersamen Musikfabrik Soft Machine niemals ein Ton mehr zu erwarten sei, wird seitdem, seit nunmehr zwei Jahrzehnten hinausgeschoben. Ein Kult im engeren Sinne ist entstanden, die Verklärung gross, die Ernüchterung aber auch, denn das, was den Archiven abgepresst wird, legt mitunter empfindliche Schwächen bloss.

Soft Machine bleibt ein eng seiner Zeit verhaftetes Ensemble, die Gegenwart hat kaum Verwendung für seine Errungenschaften. Insofern applaudieren alle einschlägig Vorbeschallten solchen Archivfunden wie *Live at the Paradiso 1969* und *BBC Radio 1967-1971*, die Vergangenheit wenigstens zum Leuchten bringen.

Nicht zufällig sind das Perlen aus der Zeit mit Robert Wyatt; die grosse Zäsur beginnt mit dem Album *Fifth* (1971), dem ersten ohne ihn. Auf dem Album, für eine LP-Seite, nimmt Phil Howard aus Australien seinen Platz ein, tendenziell ein FreeJazz-Mann, der in jener Studiositzung ganz manierlich klingt, hier aber, am 15.11.1971 im Playhouse Theatre für die John Peel Show, unfreiwillig Realsatire bietet. Heutige Schlagzeug-Schüler mögen sich ergötzen, wie Howard hier eher Kartoffeln fallen lässt statt den Erfordernissen seines Genres zu genügen. Hingerichtet werden zwei, jedenfalls auf *Fifth*, grossartige modale vamps (in ungeraden Takten) aus der mittleren Jazzrock-Periode, wobei Mike Ratlege in *Drop*, als Elton Dean zum E-Piano wechselt, wenigstens noch der originalen Form zum Durchbruch verhelfen kann.
*Welcome to Frillsville*, bis dato unveröffentlicht, vermittelt wenig mehr als den Eindruck, dass Ratledge und Dean unterliegen im
Kampf gegen Howard´s ride cymbals, mit denen er alles zuscheisst.

Am 11.4.1972, im Maida Vale Studio 4, dann erheblich mehr Disziplin auf dem Schlagzeug-Schemel: John Marshall ist zum ersten, Hugh Hopper das letzte Mal dabei - Soft Machine als Jazzrock-Combo komplett.

Dieser Eindruck rundet sich am 30.10.73 noch mehr, als der Neuzugang Karl Jenkins in
*Stanley Stamp´s...* sehr aufmerksam am E-Piano begleitet und Ratledge, Babbington und Marshall das 7/8
ostinato mit unglaublicher Verve durchpeitschen.

Leider aber beschränkt sich, wie wir aus der Geschichte wissen, der Jenkins, Karl nicht aufs Begleiten und Komponieren (seine Hauptdomäne, er hat die Bandgeschichte um süffige vamps bereichert) - er will auch Solist sein. Und was auch immer er dabei zur Hand nimmt, er bleibt ein Langeweiler. Die emotionale Kraft eines Elton Dean (wenigstens in dessen besseren Momenten) erreicht er nicht, schon gar nicht die Suggestivität von Ratledge´s Orgel; herzliebst wird´s, wenn er in *Down the Road* eine Blockflöte zum Einsatz bringt.

Den deutlichste Beleg für diese These liefert die Sitzung vom 10.6.74: Die Übernahme von Soft Machine durch Nucleus ist vollzogen, als letztes Urmitglied ist Mike Ratlege dabei und als vordergründig stilistisch Entferntester der Gitarrist Allan Holdsworth hinzugetreten. Jenkins legt in *Hazard Profile* auf Basis kerniger riffs eine Jazzrock-Suite vor, aber wer bringt die Themen zum Leuchten und die Improvisationen solistisch zum Kochen? Allan Holdsworth und Mike Ratledge, letzterer im Schlussteil, in seiner Lieblingsdisziplin, einem sprint über 7/8, mit einem der jazzigst phrasierten Soli seiner Karriere.

Die Soft Machine-Welt hängt in diesem Moment nur noch an einem verzerrten Orgel-Faden. Wenig später war Schluss damit, nur der Name noch schleppte sich mehr als ein halbes Dutzend Jahre weiter.

Wer sich - ich zögere nicht zu sagen - die Magie dieser Musikwelt neu erschliessen oder sich ihrer vergewissern will, der muss dieses Datum als Wasserscheide betrachten. Dem sei als erste Handreichung *BBC Radio 1967-1971* (HUX 037) empfohlen - meine persönlichen Anmerkungen verzeichnen im booklet dort weitaus mehr Ausrufezeichen als hier.


©Michael Rüsenberg, 2004, Alle Rechte vorbehalten