ZAWINUL SYNDICATE Vienna Nights/Live at Joe Zawinul´s Birdland *****
CD 1: 1. Y´elena (Salif Keita), 2. Two Lines (Zawinul), 3. Do you want some tea, Grandpa? (Tuncboyacian), 4. Chabiba (Karim Ziad), 5. Blue Sound/Note 3 (Zawinul), 6. Rooftops of Vienna, 7. Louange (Karim Ziad), 8. Est 12th Street Band (Zawinul)
CD 2: 1. Cafe Andalusia, 2. Borges Buenos Aires, 3. Tower of Silence, 4. Intro to a Mighty Theme,5. Come Sunday (Duke Ellington), 6. Three Postcards (Zawinul), 7. Badia, 8. Boogie Woogie Waltz
Joe Zawinul - keyb, voc; Linley Marthe - bg, Amit Chatterjee - g, voc; Sabine Kabongo - voc, perc; Manolo Badrena, Arto Tuncboyacian - perc, voc; Nathaniel Townsley - dr, Karim Ziad - dr, perc; Aziz Sahmaoui - voc, perc; Scott Henderson, Alegre Correa - g
rec 26.-30.5., 21.9.-1.10.2004
ZYX/ BHM 4001-2; LC-Nr 02871
Aber, hallo, da kommt Freude auf! Wenn man mit den eigenen Kriterien konfrontiert wird. R+VG aus D´dorf, kritische JNE-Begleiter der ersten Stunden, erwarten jetzt, dass an Zawinul die gleiche Messlatte angelegt wird wie an Marcus Miller. Von wegen "Hofschranzen".
Recht haben´s. Man kann nicht Marcus Miller kritisieren ob seiner mangelnden Bandleader-Qualitäten (jedenalls im Verhältnis zu denen von Miles Davis) - und selbiges bei Zawinul unerwähnt lassen. Hier wie dort scharen sich kompetente Ensemblespieler um eine Führungsfigur, Charakterköpfe sind Gäste: Kenny Garrett bei Miller, Scott Henderson bei Zawinul.
Dies lässt ausser acht, dass Zawinul - ohne sich zurückzuziehen - seiner Umgebung Raum gewährt. Manolo Badrena extemporiert in ãBorges Buenos Aires“ weitläufig einen Text...der nicht von Borges stammt, Arto Tuncboyacian und Karim Ziad sind mit eigenen Stücken vertreten. Insbesondere der Algerier Ziad mit seinen gnawa-Adaptionen (die er gewinnbringend auch Nguyen Le schon vermittelt hat) sorgt hier für einen echten Zugewinn. "Chabiba", erst in 4/4, dann in 6/8 und zeitgleich in einem Shuffle-Rhythmus, fügen sich bruchlos Zawinul´s Pan-Afrikanismus an.
Denn wo Zawinul, da ist Afrika. Nicht ein authentischer afrikanischer Rhythmus, sondern ein Vorwärtsreiben mit afrikanisch ineinander greifenden patterns. "Er ist net weiss, er ist net schwoarz" (wie Zawinul ein Zitat von Miles Davis über ihn heranzieht) trifft diesen rhythmischen Sachverhalt so schwammig wie genau.
Dieser sehr spezielle Groove, mit Keyboard-Fetzen obendrüber (ohne grossen klangschöpferischen Ehrgeiz) und Vokoder-gehackte Sprach-Klötzchen, sie sind seine Markenzeichen des. Das kriegt so bald keiner hin, das macht ihm so schnell keiner nach.
Was ihn von Marcus Miller unterscheidet, ist, dass er mit seiner Fackel nicht die Welt erleuchten will (so wie jener Beethoven zu funkyfizieren sich aufgerufen fühlt) und sein Patchwork-Repertoire sehr massvoll erweitert. Ellington´s "Come Sunday" ist ein Fehlgriff, aber wegen der Sängerin.
Eben weil Zawinul ewig stürmt, dabei auch Risiken eingeht (z.B. ein eher mulmiges Klangbild)...kriegt er einen Punkt mehr als Miller. Der 73jährige hat soviele Innovationen losgetreten, der darf auch für die weitgehende Wiederholung des Bekannten Respekt verlangen.
erstellt: 07.06.05
©Michael Rüsenberg, 2005 Nachdruck verboten