WALLACE RONEY Prototype ***
1. Cyberspace (Burrage), 2. Shadow Dance (Wallace Roney), 3. Prototype (Andre Benjamin), 4. Then and Now (Antoine Roney), 5. Let´s stay together (Al Green, Al Jackson, Willie Mitchell), 6. Quadrant 329-4-526 (Wallace Roney), 7. Three Views of the Blues, 8. Secret Identity (Adam Holzman)
Wallace Roney - tp, Antoine Roney - ss, ts; Don Byron - bcl, Clifton Anderson - tb, Geri Allen - p, ep; Adam Holzman - keyb, Matthew Garrison- b, bg; Eric Allen - dr, DJ Logic - turntables
rec 23.02.2004
SunnyMoon/Highnote HCD 7116
Wallace Roney hat ein Problem: er klingt nach Miles Davis wie kein zweiter. Und weil das so ist, wird er nicht müde, den Einfluss seines Übervaters zu legitimieren...immerhin hat er ihn, im Todesjahr 1991, in dessen Gegenwart vertreten und später seinen Platz in der Tribut-Ausgabe seines legendären zweiten Quintetts eingenommen.
Das wirkliche Problem des Wallace Roney aber ist - dass seine Umgebung nicht nach Miles Davis klingt!
Wenn Roney einen fremden Ton modelliert, mag da ja noch angehen, vorausgesetzt er führt diesen in einen anderen Kontext.
Nach "No Room for Argument" (2000) hantiert Roney erneut mit Ingredienzen, von denen er nicht weiss, wie sie wirken. Zum zweiten Male ein Herumstochern im Nebel, um eine Art von funkiness zu erreichen, wie sie beispielsweise das Sextett des Mwandishi Herbie Hancock ausgezeichnet hat, plus ein bisschen technologische Spielereien, DJ Logic und Adam Holzman sind ja anwesend.
Also streut die Ehefrau, Geri Allen, brauv ein paar Hancock-E-Piano-Girlanden, Don Byron tutet ein wenig wie weiland Bennie Maupin - am besten gelingt noch der Rhythmusgruppe das Mimikry.
Inwieweit das alles Maskerade ist, schlechter (Klang)Scherz von mitunter peinlicher Art, zeigt sich, wenn track 4 erklingt, "Then and Now" von Bruder Antoine Roney, der ansonsten zuverlässig den Wayne Shorter gibt.
Auf einmal ist Leben in der Bud´, ein uptempo swing, das ist die Sprache, die die meisten im Studio am besten sprechen - bevor sie dann wieder dem Dämmer der Imitation verfallen, dem Nachplappern von Idiomen, in denen sie nicht zu Hause sind. Nicht mal ein Blues darf unschuldig daher kommen: unter den "futuristischen musikalischen Möglichkeiten" (Wallace Roney) dieses Albums haben die "Three Views of the Blues" am meisten zu leiden. Sie beginnen, wie der track davor, mit einem Quäke-Sequencer-Sound, wie er in den meisten Studios der Welt inzwischen verboten ist, als neuer "diabolus in musica".
Es ist zum Schreien komisch, wie hier ein paar ordentliche Handwerker den Jazz mit einer Spielhallen-Ästhetik meinen aufmöbeln zu können.
erstellt: 14.06.05
©Michael Rüsenberg, 2005, Nachdruck verboten