CHRISTY DORAN´S NEW BAG Now´s the Time ******

1. Five-Four Afro (Doran), 2. Light and Darkness, 3. Ghost Notes, 4. A Deal, Part I, 5. A Deal, Part II, 6. Terrible Wonderland (Pfammatter), 7. The Time is Now, Part I (Doran), 8. The Time is Now, Part II

Christy Doran
- ac-g, Wolfgang Zwiauer - ac-bg, Bruno Amstad - voc, Fabian Kuratli - dr, perc; Hans-Peter Pfammatter - p

rec 18.12.-20.12.2005
SunnyMoon/Between the Lines BTLCHR 71214; LC-Nr 01221

Vielen "elektrischen" Ensembles fiele nicht im Traume ein, beim nächsten Programm die Steckdosen zu versiegeln (um das überstrapazierte
unplugged zu vermeiden) - stünden sie doch nackt da.
Christy Doran´s New Bag haben für ihr fünftes Album den Elchtest gewagt - und ganz gut bestanden! Potentiellen Zweifeln, wo denn der Gitarrist Doran bleibt, wenn er Töne nicht mehr lang aushalten kann oder auch der Keyboarder Pfammatter, begegnen sie, indem sie uns mit dem Opener regelrecht überfallen, "Five-Four Afro", ein staccato Hammer aus dichten afrikanischen Verzahnungstechniken, noch dazu in 5/4.
Als Zaubermittel, das weite Teile dieser Produktion trägt, dient, der - nunmehr akustischen, also rasch verklingenden - Gitarre einen eher perkussiven Charakter zuzuweisen, neben Piano und Schlagzeug. Die Combo verfügt also über einen weitaus grösseren Perkussionsapparat als lediglich nominell einen Schlagzeuger. Wir dürfen zudem nicht vergessen: Zwiauer/Kuratli stehen in der grossen Tradition
Schweizer Rhythmusgruppen, und der Pianist Pfammatter ist sowohl solistisch als auch als Begleiter ein ganz ausgefuchster Hund.
Die Attacke begnügt sich keineswegs mit track 1. "Light and Darkness" schaukelt sich zum Ende hin zu einem staccato-Gewitter auf, "Ghost Notes" beginnt im
Tom Waits´ gemütlichen 3/4, wird aber von einem stampfenden 6/8 verdrängt, der später mitunter auch als Shuffle daherkommt. Das sind Kraft & Energie aus reiner Handarbeit, und man darf New Bag stilistisch durchaus eine eigene Lesart des Jazzrock zubilligen.
Entwarnung erst mit track 4, dort erklingt zum ersten Mal ein nachvollziehbarer 4/4-Takt; im zweiten Teil von "A Deal" wird
Fabian Kuratli das Muster zunächst afrikanisch deuten und später immer mehr verjazzen.
Pfammatters "Terrible Wonderland" beginnt als eine Art abstrakter Marsch und weitet sich peu a peu zu eine Suite verschiedener - vor allem rhythmischer - Aggregatszustände (darunter ein 5/4-
riff) Die Interaktion zwischen den Instrumentalisten ist vorzüglich, man staunt erneut über den wahnsinnigen Energielevel der Band.
Unterwegs ist ihr freilich ihr Vokalist
Bruno Amstad verlorengegangen. Damit wir uns nicht missverstehen: man hört ihn durchgängig, bloss bleibt seine Rolle undeutlich. Er pendelt - wie schon früher - zwischen Manierismen a la Tom Waits und Phil Minton, ohne wortwörtlich eine eigene Stimme zu finden, es sei denn, man hielte dunkles Gebrabble schon für eine solche. Mitunter, beispielsweise in "A Deal, Part II", scheint er geradezu danach zu lechszen, endlich mal Text singen zu dürfen. Meist begnügt er sich, die vielen staccati-Gipfel dieser Musik nachzuzeichnen.
Das ist auf Dauer zu wenig, Amstad
ist der einzige, der ohne Steckdose (sprich: sein delay-Gerät) nackt dasteht.

PS: Now´s the Time für diese Band, auch wenn sie um Charlie Parker einen weiten Bogen macht.
PPS: siehe auch "
Perspectives" und "Jimi".

erstellt 18.03.06

©Michael Rüsenberg, 2006,
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