ALDO ROMANO Just Jazz *******
01. Cité Soleil (Romano), 02. Prego!, 03. Spring Tide, 04. Handle with Care, 05. Blues for Roy, 06. Chick Webb, 07. Libero!!, 08. Black and Blue (Brooks, Waller, Razaf), 09. Dany K. (Romano), 10. Township, 11. Lontananza, 12. Maple Leaf Rag (Joplin)
Aldo Romano - dr, Geraldine Laurent - as, Henri Texier - b, Mauro Negri - cl
rec 25., 26.+27.02.2007Soulfood/Dreyfus Jazz FDM 46050 369202; LC-Nr 09803
Wenn am Ende des Tages alles durchgehört ist, was nötig war, mitunter auch weggehört, darunter der x-te Versuch, den Piano-Trio-Trend nicht zu verpassen, Hochschulabsolventenjazz, der eine oder andere Radio-Mitschnitt von einem Festival, der in Enttäuschung endet - dann fragt unsereins manchmal: wo war Jazz?
Musik, die voller Stolz aus der Mitte des Genres sich erhebt, die nichts weiß vom Dogma, dass Jazz heute mit allem & jedem sich gemein machen soll. Musik, die einfach nur gut gemacht ist, die die Tugenden der Gattung auslebt, ja die einfach nur abgeht.
Aldo Romano, der alte Fuchs aus Italien, der im französischen Jazz großgeworden ist, hat offenkundig - wenn vielleicht auch aus anderen Motiven - einen ähnlichen Mangel empfunden und begegnet ihm mit dieser Produktion. "Just Jazz", ja genau das und nix weiter, Jazz aus Spaß sozusagen, ohne humoristisch zu werden.
Die Besetzung ist pikant; zwei aus der Gründergeneration des zeitgenössischen Jazz in Frankreich (Romano, Jahrgang 1941, und Henri Texier, Jahrgang 1945) mit Talenten der nächsten Generation: Geraldine Laurent, geboren 1975, und Mauro Negri, geboren 1966 in Italien, auch im Vienna Art Orchestra zu Hause.
Die vier lassen nichts anbrennen, fallen aber auch nicht mit der Tür ins Haus. Der bei solchen Unternehmen zu erwartende uptempo swing eröffnet nicht das Programm, sondern folgt erst an zweiter Stelle ("Prego!"), wenn auch in eher mittelschnellem Tempo. Richtig schnell wird´s erst bei "Spring Tide". Man staunt über den reifen, schwarzen Alt-Ton von Geraldine Laurent und die scharfe Klarinette von Mauri - er hat sie fast immer mit einem Harmonizer gekoppelt, sodass sie den Original-Ton zwar verbreitert, aber nicht anfettet.
Es sind ein paar Widmungen dabei: "Blues for Roy", aller Vermutungd nach für Roy Haynes sowie eine fröhliche Swing-Nummer für "Chick Webb". Die Form aber ist alles andere als konventionell: vor dem Thema hat erstmal der Baß ein Solo und beiden Bläser legen vorher die harmonischen Stufen der Melodie frei.
"Libero!!" startet mit einem Schlagzeug-Solo, die Bläser gehen in hohem Tempo ein Jagd-Motiv a la Ornette Coleman an; geradezu "amtlich" negroid und hitzig die Alt-Stimme von Laurent, in den letzten beiden Takten wechselt sie ins halbe Tempo und gibt an Negri weiter. Und nun folgt ein accelerando, in dem er das Rest-Trio nicht nur wieder auf das enorme Ausgangstempo führt, dies aber in einem Notenschwall, der zu den ästhetischen gelungensten Beispielen einer Stimmverdopplung durch Harmonizer zählt.
"Black and Blue" kühlt fast in two-beat Manier wieder ab. "Township" läßt im Thema, wenn auch sehr entfernt, Südafrika grüßen; es ist vor allem ein Feature für den trockenen, dreckigen Sound von Geraldine Laurent; gar so mancher deutschen Saxophonstin sei dieses Stück als Referenz angeraten - aber auch das folgende "Lontananza", wo sie auf Coolness a la Lee Konitz umschaltet.
Was für ein Talent!
Der "Maple Leaf Rag", in recht traditionellem Duktus gespielt, rundet das vorzügliche Programm ab. Ein Spaß von Leuten, die nichts mehr beweisen müssen - sie sind Jazz!
erstellt: 06.06.08
©Michael Rüsenberg, 2008, Alle Rechte vorbehalten