GWILYM SIMCOCK Good Days at Schloss Elmau *****

01. These are the good Days (Simcock), 02. Mezzotint, 03. Gripper, 04. Plain Song, 05. Northern  Smiles, 06. Can we still be Friends?, 07. Wake up call, 08. Elmau Tage

Gwilym Simcock - p

ACT 9501-2; LC-Nr 07644

Gwilym Simcock bei ACT? Dem deutschen Label, das nach dem Tod seines Zugpferdes Esbjörn Svensson (1964-2008) fieberhaft nach neuen Pianisten ausschaut (und, neben anderen, mit Iiro Rantala einen weiteren Skandinavier gebucht hat?)
Dies ist ein one-record-deal, Siggi Loch hat lange um den talentierten Briten geworben, der bleibt aber bei Basho in London (der ausführlich Dank an seine dortige Produzentin Christine Allen in den liner notes ist beredter Beleg dafür).
Und eigentlich findet man hier nichts, was Simcock nicht schon auf seinen beiden „britischen“ Alben gesagt hätte: sowohl „Perception“ als auch „Blues Vignette“ enthalten eines oder mehrere Solo-Stücke.
simcock-coverDer Eindruck von dort wird hier lediglich album-füllend bestätigt:
Simcock kann und will seine klassischen Eierschalen nicht abwerfen. Er hat, wie viele seiner Kollegen, aus der Klassik heraus zum Jazz gefunden. Das legt zunächst eine gewisse handwerkliche Kompetenz nahe, über die Gwilym Simcock fraglos verfügt. Aber wenn´s dann zu Schwur kommt, wenn der stilistische Kontext weder durch (fremd)-kompositorische Vorgaben noch durch Mitspieler gegeben ist, verfallen viele eben auch in den Gestus des neo-romantischen Präludierens - Gwilym Simcock gehört dazu.
Geradezu prototypisch regierte diese Haltung einen ganzen Abend im Oktober 2010, als beim Festival „wdr3.jazz cologne“ Florian Ross, Iiro Rantala und eben auch Gwilym Simcock jeweils solo ihren Beitrag zu einem „european piano summit“ ertasteten. Ein kritischer Besucher stellte sich hinterher die Reaktion eines jazz-fremden Hörers vor - vor allem dessen Verblüffung und auch Ratlosigkeit über ein solches Maß an romantischen Spielhaltungen. Die den Anteil dessen, was man an Formen des Jazz-Pianos kennt, in den Schatten stellen.
So stellt Simcock in „Gripper“ mit der linken Hand kaum verschleiert einen Blues vor, die rechte spaziert durch die Lagen, als ob sie dieser Gestus überhaupt nichts anginge. Sie wäscht „weiß“.
Ganz ähnlich „Northern smiles“; in Köln laut Ansage den freundlichen Menschen im Norden Englands gewidmet, laut Pressetext hier eine Anspielung auf Keith Jarrett´s „Southern smiles“ - und eine Hommage an Jarrett. Der Gospel-Unterton a la Jarrett ist wohl da, aber nicht mal ein Anflug von dessen Expressivität. Nicht nur hier, auch im Titel gebenden Auftakt, wirkt Simcock nervös und gehetzt, es mangelt an Ruhe, den Tönen nachzulauschen.
Selbstverständlich, man merkt, dass hier ein überdurchschnittliches Talent an den Tasten sitzt, aber es fällt schwer, in ihm einen Stilisten zu erkennen. Django Bates, der Landsmann, nicht stilistisch, aber doch vom Alter her ein Vorläufer, war mit 29 Jahren gereifter, vor allem als Komponist.
Die besten Momente des Gwilym Simcock, sie ereignen sich immer zusammen mit anderen Musikern, ja auch in der Musik von anderen festgehalten. Wenn dies im süddeutschen Elmau schon „Good Days“ gewesen sein sollen, dann avancieren seine Aufnahmen mit Tim Garland zu Sternstunden.

erstellt: 06.01.11
©Michael Rüsenberg, 2011. Alle Rechte vorbehalten