01. Zum Raum wird hier die Zeit, 02. Glocken, 03. Parsifal, 04. Morgengebet, 05. Ich bin ein einer Tor, 06. Zaubergarten, 07. Amfortas, 08. Unerhörtes, 09. Herzeleid, 10. Kundry, 11. Von Welt zu Welt, 12. Klageruf, 13. Sehnsucht
Dieter Ilg - b, Rainer Böhm - p, Patrice Heral - dr
rec. 07/2012
ACT 9544-2, LC 07644
ERIC SCHAEFER Who is afraid of Richard W.? ****
01. Prelude to a Prelude (Schaefer/Wagner), 02. Walküre, 03. Waldweben, 04. Lohengrin I, 05. Siegfried Idyll, 06. Isoldes Verklärung, 07. Nietzsche in Disguise (Schaefer), 08. Tannhäuser, 09. Amazingly slow (Schaefer), 10. Dante Sonata (Liszt), 11. Love and Death (Schaefer, Meitz, Arthurs, Eckhardt), 12. Tristan, 13. Lohengrin II
Eric Schaefer - dr, electr, Tom Arthurs - tp, flh, Volker Meitz - org, ep, keyb, John Eckhardt - b
rec. 07/2012
ACT 9543-2, LC 07644
2013 ist Wagner-Jahr, vor 200 Jahren wurde Richard Wagner geboren. Ein Kalenderblatt, das auch Jazzmusiker gerne mitbeschreiben, vulgo: ein Stück vom großen Kuchen ergattern wollen.
Das sollte diesmal leichter fallen als bei AC/DC, Michael Jackson o.ä., Wagner ist rechtefrei, wer seine Werke umdeutet und um-titelt, kann sich selbst in den Komponisten-Stuhl hieven - und ganz andere Tantiemen erwarten denn als Interpret.
Dieter Ilg benennt seine Arbeit denn auch als „Variations by Dieter Ilg after Richard Wagner´s opera Parsival“ (im Falle von „Sehnsucht“ ist es Beethoven´s „Freude schöner Götterfunken“). Bei Eric Schaefer lautet die Handlung „Richard Wagner revisited by Eric Schaefer“, dazu kommen eine Liszt-Sonate und drei Eigenkompositionen.

Ob Wagner sich besser zu Jazz-Adaptionen als Verdi eignet?
Ausweislich dieses Albums dürfte die Antwort lauten „ja“. Das mag daran liegen, dass Ilg sich auf Wagners Pathos gar nicht erst eingelassen hat, die Themen bzw. deren Ableitungen erscheinen weitaus mehr jazz-affin, mit anderen Worten: Ilgs Abstand zu Wagner mutet größer an als der zu Verdi.
Vor allem im Vergleich zu Eric Schaefer dominieren bei Dieter Ilg Jazz-Werte. Gleichwohl lässt sich „Parsival“ zäh an, erst mit track 5 kommt Leben ins Spiel, im A-Teil ein vom Baß mächtig vorgegebener Shuffle-Rhythmus, der sich nach einem plagalen Schluss bei 3:35 in eine ebenso heftige Rock-Figur wandelt. Aus dem „Klageruf“ gelingt ihm in track 12 noch einmal eine dynamische Ableitung als Rock-Groove.
In solchen Umdeutungen in mächtige ostinato liegt eindeutig das Prä dieses Albums. Wohingegen die „Freude schöner Götterfunken“ als Abschluss nahezu aus der Welt gefallen zu sein scheint; das Thema selbst lässt ja nun keinerlei Jazz-Deutung zu; die ergibt sich erst aus kleinen und kleinsten motivischen Ableitungen.

Schaefer hat denn auch weniger Jazz-Adaptionen im Sinn als vielmehr neumodischen Firlefanz, für den der letzte Satz des Pressetextes das treffende Motto liefert: „Willkommen im Club, Herr Wagner!“
So ist es, Zielort dieses Unterfanges ist nicht der Jazzclub, sondern die sonstwie gelabelte Disco. Nichts dagegen, wir können ja dazulernen oder uns überraschen lassen.
Nichts auch gegen Reggae- und Dub-Elemente, die das Ganze prägen - aber alles gegen das Pathos, das sich Eric S. bei Richard W. hat lizensieren lassen. Und noch mehr dagegen, wenn es schon in track 2 mit den ebenfalls prägenden Hammond- und Trompeten-Klischees aufwartet...vor den Augen älterer Hörer schält sich die Silhouette von Rick van der Linden aus den Nebeln: das war der, der an der langen Wende von den 60ern in die 70er mit Ekseption Vulgärversionen der Abendländischen Musik unter die Leute gestreut hat.
Wir dachten: das wäre für immer vorüber.
erstellt: 28.01.13
©Michael Rüsenberg, 2013. Alle Rechte vorbehalten