MATTHIAS SCHRIEFL TRIO Im Himmel ***

01. Dr. Brezner come fast and beam me please away! (Schriefl), 02. Fein sein, beinander bleibn (trad), 03. Im Himmel (Schriefl), 04. Schädelwehpolka (trad, Schriefl, T: Pietsch, Schriefl), 05. Auf der Steinseehütten (Schriefl), 06. Sonnenuntergang, 07. Hei, grüaß die Gott! Ländle! (König, T:  Wackerle), 08. Schafelstiel (trad), 09. Fiarn A...Piazolla (Schriefl), 11. Was Gott in seinen Flegeljahren schuf, 12. Wiage-Lied (Lautenbacher), 13. Der Yeti im Sturm (Schriefl), 14. Es wird schon glei dumpy (trad, T: Reidinger)

Matthias Schriefl - tp, flh, voc, alphorn, sousaphon, Alex Morsey - b,bg, tuba, sousaphon, Jonas Burgwinkel - dr, Silvio Morger - dr, Filippa Gojo, Marie-Theres Härtel, Hilde Unsinn, Anna Schriefl, Priska Schriefl - voc

rec. ?.2013
Himpsl Records 1401, LC 02910


Dieses Land ist reich an Trompeter-Talenten. Matthias Schriefl könnte leicht in der obersten Liga spielen - stünde er sich nicht selbst im Weg. Sein Problem: Er mag´s nicht ohne „Humor“. Häufig steht er in Hosen vor dem Mikrofon, deren Dessin einem Kuhfell entlehnt ist, er bringt die Zuhörer mit lustigen Ansagen zum Lachen oder eben solchen Titel zu seinen Kompositionen.
Nun gut, dergleichen hat Wolfgang Puschnig vor Jahren auch getan; aber er verfiel niemals in Albernheiten, sein Humor war fein dosiert. Und als ein nicht unbedeutendes Jazzfestival in Deutschland ihn gerade deshalb zum Ansager machen wollte - hat er diese Begabung fast auf Null geschaltet.
Derlei Zurückhaltung ist Matthias Schriefl fremd.
Dabei wirkt sein Dang zu außermusikalischer Selbstdarstellung nicht immer völlig deplatziert: in der Schlusspassage von Axel Engstfeld´s Filmdoku über Charlie Mariano, worin Schriefl dem Sterbenskranken einen selbst-gemalten, symbolischen Scheck für seine Verdienste überreicht, bleibt zumindest offen, ob nicht auch eine solche Form der Huldigung zu den legitimen zählt.
cover-schriefl-trioMit diesem Album aber, dem x-ten Hinweis auf seine Herkunft aus dem Allgäu, geht wieder der Gaul mit ihm durch, das ist nicht mehr Humor, das ist Klamauk, das ist auch Schwachsinn.
Vier barbusige Weiber mit den Musikanten im Stroh, urig in Lederhosen, eine Maß Bier hoch haltend oder ein Instrument - ältere Semester erkennen in dieser Ikonografie den Typus Sexfilm, wie ihn Alois Brummer in den 60ern in Serie produziert hat („Beim Jodeln juckt die Lederhose“).
Die Schauspielerin Gila von Weitershausen, sie wird dieser Tage 70, dürfte in diesen Bildern einen Widerhall ihrer dem Boulevard gebeichteten „Jugendsünden“ erkennen.
Die Motivik, damals wie heute, ist verwandt: ein feixender Umgang mit der alpenländischen Folklore, ein Modernismus, der in die Hinterwäldler fährt. Die allfällige Werbetext-Dummerei liest sich so:
„Schriefl geht es nicht darum, den Kontrast zwischen Volksmusik und Jazz zu betonen; vielmehr will er zeigen, wie eng beide Musikstile verwandt sind. Alpenländische Volkslieder leben seit jeher von Improvisation, Weiterentwicklung und der Kreativität der Musiker. Und Jazz lässt sich immer und überall von Folklore inspirieren.“
Dass Jazz und alpenländische Volkslieder wg. Improvisation „eng verwandt“ seien - man muss solche Analogie-Behauptungen nicht weiter ernst nehmen, Schriefl tut´s auch nicht.
Typisch dafür, wie er in das „Allgäu Lied“ aus dem späten 19. Jahrhundert dreinfährt und es auf die klischee-gesottene Art „verjazzt“, wie man sich das so vorstellt.
Das fiele vielleicht gar nicht mal so unangenehm auf, stünde es in einem anderen Kontext, der nicht so geprägt wäre von Bierzelthumor kurz vor der Sperrstunde und Eigenkreationen wie der „Schädelwehpolka“.
Mit diesem Drum & Dran nimmt Schriefl sich selbst die Chance, in seinen möglicherweise ernsten Intentionen wahrgenommen genommen zu werden und die historischen Vorlagen als nicht diskreditierend zu verstehen.
Es gibt durchaus solche Momente, wie z.B. im Schlussstück, einem Abendlied von 1884, wo er die erhabene Melodie gegen einen fast FreeJazz-artigen Untergrund stellt. Aber auch das geschieht wieder eher rabiat als subtil.
Was, so ist man ständig versucht zu fragen, hätte Dieter Ilg aus alledem gemacht? Der in „Live Ilg“ (1997) und „Fieldworks“ (1998) mit die besten Jazz-Adaptionen deutscher Volksmusik vorgelegt hat.

erstellt: 01.04.14
©Michael Rüsenberg, 2014. Alle Rechte vorbehalten