STEVE KHAN Subtext *****

01. Bird Food (Ornette Coleman), 02. Blue Subtext (Khan), 03. Baraka Sasa (Hubbard), 04. Infant Eyes (Shorter), 05. Heard (Osby), 06. Never let me go (Evans, Livingston), 07. Cada gota de Mar (Khan, Ingold), 08. Hackensack (Monk), 09. Bait and Switch (Khan)

Steve Khan - g,  voc (9), Rubén Rodríguez - bg, Dennis Chambers - dr, Marc Quiñones - perc, Bobby Allende - conga, bongo (1), Randy Brecker - flh (1), Rob Mounsey - keyb (2,5,9), Gil Goldstein - acc (7), Mariana Ingold - voc (7)

rec. 01/2014
ESC Records ESC 03752-2; LC-Nr 01263

Die Steve-Khan-Festspiele gehen weiter.
Und das liegt, ehrlich gestanden, auch daran, dass der Rezensent zwischendurch mal wieder auf die Webseite des Gitarristen geraten ist, wo dieser viele seiner Stücke (nicht nur seine eigenen) so detailliert analysiert, wie man´s kaum je wissen will.
Zufällig geriet er an „Some Sharks“ (aus „Casa Loco“, 1983), wo Khan den Eigenwillen seines damaligen Bassisten Anthony Jackson beschreibt.
Ja, „Some Sharks“ (kann man hier hören), Entschuldigung, es schiessen einem beinahe Tränen in die Augen: was ist denn da wohl los?
Nicht nur der Bassist macht, was der Bandleader nicht will, zusammen mit dem beat displacement des Schlagzeugers (Steve Jordan!) schnürt er ein rhythmisches Kraftpacket von einer Intelligenz, wie es der Jazzrock nur selten erlebt hat.
Yes, folks, für zwei, drei Wimpernschläge Anfang der 80er hat Steve Khan, 67, die Geschichte dieses Genres gerockt. Und was immer er danach veranstaltet, wird an dem Hochplateau jenes Zeitfensters gemessen.
Heldentaten sind nicht darunter, wohl aber eine stetige Verfeinerung dessen, was damals auch schon durchschimmerte: Latin Jazz.
Steve Khan dürfte unter allen Nicht-Latinos derjenige mit der genauestens Kenntnis von Cha Cha, Mambo und Bolero sein.
cover-khan-subtextSein jüngstes Album schließt in dieser Hinsicht an das vorhergehende („Parting Shot“, 2010) an; es enthält Latin-Versionen seiner „Hauskomponisten“ Ornette Coleman, Wayne Shorter, Thelonious Monk, dazu Freddie Hubbard und - ja, auch das geht - Greg Osby.
Und, es schließt mit „Bait and Switch“ direkt an „Change Agent“ von „Parting Shot“ an, beide einander verwandt als abweichende Bluesformen mit Cha Cha-Rhythmus.
Aber, der Unterschied ist markant. Auf „Parting Shot“ hat Khan noch einmal Veteranen großer Tage wie Manolo Badrena, perc, Anthony Jackson und Dennis Chambers versammelt.
Obwohl letzterer auch hier mitwirkt, ist der Vitalitätsfaktor doch ein anderer.
Selbst in seiner Paradedisziplin drum-solo gegen riff, für die Khan ihm gerne Platz gewährt, bleibt sein Variantenreichtum seltsam eingeschränkt, meist dominiert Marc Quiñones im Mix.
Das heißt im Umkehrschluß, die Kulinarik gewinnt noch mehr Oberhand. Steve Khan mag sich from front cooking in gut temperierte Nebenräume zurückgezogen haben - sein Gitarrenstil ist von Phrasierung und Tongebung (auch dank kleiner digitaler Helfer) immer noch so delikat wie individuell.
Er kann es sich einfach leisten, „Bird Food“ von Ornette Coleman von Freebop auf Cha Cha umzupolen und ebenso mit Monk, Shorter und anderen zu verfahren. Es ist sehr unterhaltsam.
Einen Punktabzug gibt es immer, wenn sein alter Partner aus nicht-heroischen Tagen, Rob Mounsey, seinen keyboard-Käse dazu gibt.

erstellt: 02.09.14
©Michael Rüsenberg, 2014. Alle Rechte vorbehalten