FLORIAN ROSS Mechanism *******

01. Round about (Ross), 02. Bridges, 03. György, 04. If at all, 05. Paying the Bill, 06. Silver Spur, 07. Take your Time, 08. Blade Runner,09. Mechanism, 10. Rondo Nr. 1, 11. Moment´s Notice (John Coltrane), 12. Catflap (Ross), 13. Sometime ago (Mihanovich), 14. Mangroove (Ross), 15. Better alone, 16. Nice to meet you, 17. Quiet of the Evening

Florian Ross - p, loops
rec. 22.+23.12.09
Pirouet PIT 3049; LC-Nr 12741

Hier wächst zusammen, was zusammengehört - der deutsche Jazzpianist mit dem farbigsten Euvre publiziert auf dem Label, das sich national und international der besonderen Pflege der 88 Tasten zugewandt hat. Hier sind Marc Copland, Bill Carrothers, Pablo Held, hier ist nun auch Florian Ross zu Hause, geboren 1972 in Pforzheim, wohnhaft in Köln-Sülz, Dozent für Jazz-Piano und -Ensemble an der Musikhochschule Köln.
Ross hat bei John Taylor, Bill Dobbins, Joachim Ullrich, Django Bates, Don Friedman und Jim McNeely studiert, in Köln, London und New York; er ist nicht nur Pianist, sondern auch Komponist (hervorragend sein Oktett) und Arrangeur (u.a. für John Scofield).
Nicht zuletzt spielt er Orgel in Nils Wogram´s Nostalgia Trio.
Ein Solo-Album, das war das, was man vielleicht am wenigsten von ihm erwartet hätte. Die Motivation dazu liegt freilich schon lange zurück, in einem Solokonzert im Beethoven Haus Bonn, 2004: „damals war ich mir bis kurz vor Konzertbeginn nicht ganz klar, ob dies eine wirklich gute Idee sein würde.“
Was nicht frei von Koketterie klingt, hat seitdem konzeptionelle Veränderungen erfahren: „der Wunsch, solo zu spielen und doch nicht gänzlich allein zu sein“ leitet ihn 5 Jahre später. Am Konzertflügel im Sendesaal des Deutschlandfunks sitzt er tatsächlich nicht allein, er hat einen Sampler dabei (er nennt ihn „looper“), der spontan Wiederholungen, aber auch Einschübe erlaubt und ihn quasi mit einer dritten und vierten Spielhand ausstattet.
Bill Evans hat, wenn auch in Mehrspurtechnik, 1963 ähnliche Gedanken verfolgt und sie mit dem entsprechenden Albumtitel auf den Begriff gebracht, „Converations with myself“.
ross-mechanismAuf der Mittelachse dieses Albums, im Titelstück, treibt Ross sein Verfahren auf die Spitze: im Hintergrund laufen eine klangfarblich durch Ringmodulator verfremdete Piano-Stimme sowie ein percussion track, und nur an der Unregelmäßigkeit, mit der ein 7/4-ostinato sich dreht, windet und wieder abbricht, kann man erahnen, dass es manuell von der linken Spielhand geführt wird.
„Hörrätsel“, in der Tat ergeben sich dadurch, weiß man erst einmal von den Voraussetzungen dieser Produktion.
Und bisweilen traut man dem Pianisten Ross mehr zu, als er zu leisten vermag. Gleich im Anschluß an „Mechanism“ beispielsweise, wenn er in „Rondo Nr. 1“ volltönend und semi-barock wie ein John Taylor Haupt- und Nebenmotive miteinander verknüpft, scheint der exzellente Handwerker ganz bei sich. Im letzten Drittel aber, wenn das Stück endlich den leichten Samba-Rhythmus auffnimmt, der schon die ganz Zeit „in der Luft liegt“ - lassen mäßig betonte Akkorde der linken Hand erkennen, dass die stechende ostinato-Figur unmöglich von derselben Hand ausgeführt sein kann.
Ohne Technologie kommt der Harmoniker Ross z.B. in den beiden Jazz-Tributes zum Zuge, „Paying the Bill“ (an Bill Evans) und „Moment´s Notice“ (von John Coltrane), aber auch in der Übernahme von Sergo Mihanovich, „Sometime ago“. Mitunter aber, wie z.B. in dem glücklicherweise kurzen „Catflap“ ist sie so ohrenfällig, dass sie kaum einen Zugewinn bedeutet.
Neben der Platzierung des Titelstückes auf die Mittelachse finden sich weitere Anzeichen dramaturgischer Planung. Das Album beginnt, richtig solo, wenig überraschend mit einem präludierenden Stück, in dem ein sehr narratives Thema quasi quergestellt wird. Das choral-artige „Bridges“ startet in einem verwandten Modus und kumuliert dank Looper dergestalt, dass schließlich vier und mehr Spielhände aktiv sind. Eine schöne Vorübung für den Klavier-Pyromanen „Györgi“, das in kurzer Dauer (1:03) vier rasende Linien Ligeti-like bündelt.
„Mangroove“, das schon lautmalerisch vom Titel her Rhythmik und damit Multiplizieren nahelegt - gospelt ohne technische Mithilfe, leider wieder nur über kurze Distanz, gerade mal 2 Minuten.
„Mechanism“ ist mit 17 verschiedenen Stücken in 55 Minuten auf stilistische Breite angelegt, auf eine Vielfalt, die mitunter nur skizzenhafte Beleuchtungen erlaubt. Vielleicht wäre weniger Mehr geworden, durch Reduktion auf ein Dutzend Stücke und mehr Mut zum Ausformulieren einzelner Gedanken.


Florian Ross über den Looper, Teil 1


Florian Ross über den Looper, Teil 2 (für JNE Sponsoren)



erstellt: 19.08.10

©Michael Rüsenberg, 2010, Alle Rechte vorbehalten