NEON DILEMMA Neon Dilemma ********

01. Etch Nonspirituals (Elias Stemeseder), 02. Tellur (Robert Landfermann), 03. Verbretterung (Stemeseder, 04. KC/AD, 05. the material from which I have built my house (Leif Berger), 06. Nicht Kommerzielles Angebot Von Geist (Landfermann), 07. Balter, 08. Tox-Anselm (Stemeseder), 09. Neon Dilemma (Landfermann), 10. Radierung: Trophoblasten/Bach (Stemeseder), 11. Elastomer

Elias Stemeseder - p, synths, Robert Landfermann - b, bg, Leif Berger - dr, perc

rec. 06/22
Klaeng Records 089

Zweimal schon hat die Jazzpolizei über Neon Dilemma gestaunt:
zuerst im November 2023 anlässlich eines Konzertes im Stadtgarten Köln.
Das große Gelingen des Konzertes wurde zurückgeführt darauf, dass vieles in den Noten steht:
„Und da stehen auch - was man hört, wenn man sich an die dichte Stimmführung gewöhnt hat -, dass mitunter drei verschiedene patterns in drei verschiedenen times ablaufen.
Das hat eine Kraft, die dem ´aufgeklärten FreeJazz´ seligen Angedenkens nur monochrom gelingen konnte. Hier treffen Kraft & Varianz aufeinander.“
Der zweite Anlass dann, im September 2024, ebendort, die Verleihung des Jazzpreises der Stadt Köln an Leif Berger, ein Höhepunkt innerhalb der Cologne Jazzweek.
Mit dem Resümee: „Gegenüber dem Debüt vor einem knappen Jahr hat sich  Neondilemma noch einmal gewandelt, vielleicht weil Elias Stemeseder sich nun mehr auf sein Metier, auf das Piano, konzentriert.“
cover Neon DilemmaDas Debütalbum stand zu jenem Zeitpunkt noch aus, das Produktionsdatum lag damals schon zwei Jahre zurück (und, zugegeben, hier in JC wird es verspätet versprochen): man merkt ihm an, dass das, was live inzwischen den Atem verschlägt und nichts weniger als die Charakterisierung „Innovation des Jazzpianotrios“ fordert, hier noch in status nascendi, im konzeptionellen Werden begriffen ist.
Alles ist schon da, was den spezifischen Post FreeJazz dieses Ensembles ausmacht:
die „kaputten“ patterns; es sind derer so viele, die sich verschieben, überlagern, abwechseln, dass man im Aufspüren ihrer Metrik zu versinken droht.
Die Fabulierkunst, das „Losgehen“, wenn die drei Stimmen plötzlich das Laufband beschleunigen.
Die drones, die Synthiefarben, die in dieser Stilistik zunächst fremd anmuten, vulgo die „Normen“ des FreeJazz sprengen, und somit das Spielfeld erheblich erweitern.
Genau das macht ja den Reiz dieser Band aus: dass sie Gewohnheiten eines freien Kontextes aufbricht, mitunter wie im Filmschnitt.
In den sieben Minuten von „KC/AD“ sind diese Eigenarten idealtypisch versammelt.
Manchmal liegt der Reiz aber nicht in der Komplexität der Struktur, sondern in stilistischen Paradoxien:
„Balter“ von Elias Stemeseder z.B. klingt, als hatte sich der Mittsiebziger Art Rock von Hatfield & The North in der ihm noch gar nicht bekannten Textur des broken swing geübt.
Das ist vermutlich gar nicht so intendiert. Aber wer die damalige Szene live miterlebt hat, wird es als klang-archäologischen Kunstgriff hören. Und auskosten, wie sich das Stück schließlich in ein downtempo Rock-Feeling schleicht.

erstellt: 12.02.25
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