Gerade abgesattelt, das Fahrrad im Keller, ein erster Blick ins Großfeuilleton: hurra, es gibt Neues vom Beat Wissenschaftler.
Nein, nein, nichts Neues von Christian Lillinger, der mit seinen polymetrischen Micro-Grooves einer solchen Tätigkeit wenigstens doch nahekommt.
Nein, Neues von Makaya McCraven („einen ´Beat-Wissenschaftler´ nennen manche den 1983 geborenen Schlagzeuger…). Nun also auch die FAZ.
Sie lässt offen, wer sich hinter „manchen“ verbirgt, teilt aber schon in der Überschrift mit, wofür McCraven steht, nämlich „für einen politisch-pluralistischen Zugang zum Jazz. Irgendwann findet sich die Musik.“
Nun pflegt also auch die FAZ die Kultur des „irjenswie“. Und intoniert auf ihre Weise den Ersten Hauptsatz des Jazz-Bekenntnisses, wonach im Jazz immer auch das Gegenteil richtig ist:
„Er (McCraven) gehört für sie zu einer neuen Generation von Musikern, für die Jazz Hip-Hop ist.“ Insofern ist auch völlig wurscht, wo das Blatt die „heutige Avantgarde-Jazz-Kultur“ lokalisiert (zu der sie McCraven zählt), weil „die sich - wenn überhaupt - um Chicago verorten lässt.“
McCraven ist - soweit richtig - bis dato eher mit samples & loops aufgefallen, mithin eher im Bereich Post-Production als durch avancierte Instrumental-Techniken.
Denen er laut Selbstaussage ohnehin fernsteht:
„Ich möchte die Musiker vor mir studieren, aber ich möchte studieren, was sie dachten und fühlten und warum sie das taten, was sie taten – nicht die Noten, die sie spielten.“
Das ist eine ehrenwerte Haltung. Fragt sich nur, zu welchen Erkenntnissen sie führt.
Die Schnitttechnik von McCravens organic beat music jedenfalls - obwohl „alles fließt ineinander“ - überfordert anlässlich des neuen Albums „Universal Beings E&F sides“ den FAZ-Rezensenten:
„So bleibt man ein wenig ratlos zurück, weil seine musikalische Idee zwar großes Potential für eine zeitgenössische Weiterentwicklung des Jazz bietet, die veröffentlichten Stücke aber weniger direkt mitreißen und überzeugen.“
Unterstellt, bei Makaya McCraven handelte es sich wirklich um Avantgarde - hat man je im Großfeuilleton einen solchen Wunsch nach einer Art Wellness-Avantgarde vernommen?
Gut, dass Frank Schirrmacher (1959-2014) und Marcel Doppel-RR (1920-2013) das nicht mehr lesen mussten.
erstellt: 20.08.20
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