Wiener G´schichten der Jazzgeschichtsphilosophie (1)

Die Kränkungen wollen einfach kein Ende nehmen.
Wer sich mit Jazz anfreundet, muss sich ein dickes Fell zulegen.
Und dies von Anfang an: der Gattungsname unserer schönen kleinen Welt stammt gar nicht aus der Musik - sondern aus dem Baseball!
In diesem Zusammenhang taucht das Wort Jazz zum ersten Male auf, im April 1912 in der Los Angeles Times.
(Der Wiener Musikethnologe Gerhard Kubik zeichnet u.a. die staunenswerte Geschichte des Jazzbegriffes in seinem Buch „Jazz Transatlantic, Vol 1“, 2017, nach.)
Auch die Verflüssigung des Gattungsnamens in ein Verb kann nicht rundum zufriedenstellen:
Über Boris Palmer, den OB Tübingens, heisst es in der SZ (5.5.20), er, „einst zum Nachwuchstalent hochgejazzt“, zeige sich jetzt „durch bräunliches Altherren-
ressentiment“.
Oder nehmen wir Jo Bausch, Nebendarsteller in Kölner „Tatort“-Folgen, im Hauptberuf Gefängnisarzt der Justizvollzugsanstalt Werl, wo die Gladbeck-Attentäter einsassen.
In der ARD (7.3.18) erinnert er an die beklemmende Begegnung der Geiselnehmer mit Journalisten in einer Kölner Fußgängerzone: letztere hätten sich bei der Jagd auf die geilsten Bilder „gegenseitig hochgejazzt“.
Zum Glück führt die Geschichte dieser Praxis nicht aus der Jazzwelt heraus.
Wie man gleichfalls bei Kubik erfahren kann, soll 1916 bei einem Gastspiel in Chicago ein Fan aus der berühmt-berüchtigten Southside dem Kornettisten Ray Lopez zugerufen haben: „jazz it up, Ray!“
Lopez hatte verstanden: „jazz it up“ heisst, spiel´mit mehr Elan und Energie.
Und lauter!
SZ Korruptionsjazz 1

Die Nachricht von einer wiederum bedenklichen Zuspitzung in dieser Angelegenheit erreicht uns aus Wien, der europäischen Hauptstadt spezifischer politischer Verwicklungen. Und deren kabarettistischen Spiegelung.
Wie wiederum die SZ (8.10.20) berichtet, bieten anlässlich der Kommunalwahl in Wien der Kabarettist Florian Scheuba sowie der Chefredakteur der Wochenzeitung „Falter“, Florian Klenk, beifalls-umtoste Vorstellungen eines Projekts unter dem Titel…
Korruptionsjazz“  („…einer ruft einen Namen, und der andere improvisiert.“)
Außer Heinz-Christian Strache, dem Kandidaten of Ibiza Video Fame, sagen uns Piefkes die anderen Namen wenig.
Wahrscheinlich würden wir vor Ort sogar das deftige Vergnügen mittragen - wäre da nicht dieses Doppelwort, das eine überwiegend doch ehrenwerte Sache in den Schmutz zieht.
Unerträglich würde es freilich (viele würden rufen „ein absolutes No Go!“), offerierte der Wiener (Jazz)Club „Porgy + Bess“ dereinst HC Strache seine Bühne.

erstellt: 08.10.20
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