Als er im April 1990 Leiter der WDR-Jazzredaktion wurde, zog eine mehr journalistische Perspektive ein.
Die entsprechende Praxis hatte er 1984 als Musikredakteur im Kabelpilotprojekt Dortmund und ab 1987 im WDR-Landesstudio Bielefeld gelernt.
Zur Arbeitsplatzbeschreibung gehörte dabei nicht nur Berichterstattung, genreübergreifend, sondern auch Widerspruch gegen den Studioleiter, ein Prachtexemplar der damals noch obwaltenden „Landesfürsten“, die die musikalische Topographie ihrer Region durch deren Chöre vollumfänglich repräsentiert sahen.
Das neue Sujet in Köln war Kurth keineswegs neu. Seine theoretische Legitimation dazu hatte er 1981 an der Universität Kiel hinterlegt, in einer Dissertation unter dem Titel „Aus der Neuen Welt: Untersuchungen zur Rezeption afro-amerikanischer Musik in der Europäischen Kunstmusik des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts“.
Der praktische, ja ausgesprochen manuelle Teil der Legitimation, an den Studienorten Bonn, Berlin, Kiel gereift bis zu einem „semi-professionellen“ Level, ging dem vorauf und kam 1979 zum Abschluß: da folgte auf seinen Posten in der Hamburger Band Stintfunk ein 18jähriger Pianist namens Hans Lüdemann.
Ab 1973 pilgerte er zu einer Veranstaltung, die er dann zwischen 1990 und 1998 backstage als Redakteur begleitet hat: das Moers Festival.
Wie sein Vorgänger (Manfred Niehaus) und seine Nachfolger (Markus Heuger, Bernd Hoffmann, Tinka Koch) hat Ulrich Kurth Clubs, Festivals und zahlreiche Künstler gefördert, manche auch mehr.
Mit seinen 10 Jahren als WDR-Jazzredakteur verbindet sich insbesondere die Karriere des Jazzkomponisten Klaus König, dessen Big Band Projekt „The Song of Songs“ 1993 beim Jazzfest Berlin uraufgeführt, und - those were the days, my friend - zuvor im „Spiegel“ umfassend gewürdigt wurde.
im WDR-Studio:
Ulrich Kurth, Tom Rainey, Gianluigi Trovesi, Markus Stockhausen (vlnr)
Foto: WDR/Kaiser
Er hatte Schwerpunkte, ja; aber seine generelle Linie lässt sich am besten mit einem Geri Allen-Titel wiedergeben, „Open on all Sides - in the Middle“.
Oder, in den Worten einer Kondolenz-Mail, die uns aus dem Tal erreicht: „Mit einem stillen Grinsen denke ich daran, wie er von der dogmatischen Stieseligkeit mancher Wuppertaler genervt war. Er gehörte noch zu den Leuten, denen das Sujet ein großes Anliegen war“.
Und dieses Sujet hörte einfach nicht auf, auch in-house als Anliegen verteidigt werden zu müssen. Zum Beispiel 1997 in einem herrlichen Über-die-Bande-Spiel mit der Lokalpresse gegen einen Hörfunkdirektor, dessen Dienstzimmer ihn als Rocker auswies, dem aber für die ältere, weniger populäre Nachbargattung, selbst in den Nachtstunden, das Verständis auszugehen drohte.
Ulrich Kurth war ein umgänglicher, ein beliebter, ein heiterer Mensch, und ich darf sagen: ein höchst angenehmer Chef.
1996 wurde bei ihm „MS“ diagnostiziert. Einschränkungen stellten sich zunächst kaum merklich ein; später betrieb er großen Aufwand, sie zu verbergen - er hing einfach zu sehr an seinem „Sujet“.
Anfang der 2000er Jahre beendete er sein Berufsleben als Teamchef Musik von WDR 3. Später veröffentlichte er eine Monografie über Tony Oxley (Wolke Verlag, 2011).
Die letzten sieben Jahre lebte er in einem Heim. Anfangs gelang ihm noch, im Rollstuhl den Ehrenfeldgürtel zu überqueren, ins Loft, oder zum Singen im Chor.
Dr. Ulrich Kurth, geboren am 28.09.1953 in Kaltenkirchen bei Hamburg, starb am 12. August in Köln-Ehrenfeld, im Kreise seiner Familie, wenige Wochen vor seinem 68. Geburtstag.
erstellt: 16.08.21, ergänzt: 23.08.21
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