Dunkle Schatten über dem Jazz

Wer bleibt unberührt vom Schicksal der überfallenen ukrainischen Zivilbevölkerung?
Auch in unserer kleinen Welt gibt es etliche Initiativen, Solidaritätskonzerte mit Spendenlink für MusikerInnen wie etwa „свобода і мир - Freiheit und Frieden“ im Stadtgarten Köln, der In Situ Art Society in Bonn oder der Jazzschmiede in Düsseldorf.
Daneben traditionelle Solidaritätsaddressen in Form künstlerischer Beiträge wie zum Beispiel 1001 Minutes for Ukraine, die von der Überlegung motiviert sind, Kunst könne „helfen, in Zeiten wie diesen innezuhalten, durchzublicken und Hoffnung zu schöpfen“, wie Kia Valand in der SZ schreibt.
Die letzte der drei Funktionen mag die Jazzpolizei der Kunst nicht absprechen, aber um „durchzublicken“ und die schmerzlichen Folgen dessen hält sie sich lieber an Herfried Münkler, an die Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik oder auch, ja, an diverse pensionierte Bundeswehrgeneräle.
Schnitt.
Der Deutsche Jazzpreis 2022 plustert sich auf für die Verleihungsfeier am 27. April auf der jazzahead in Bremen, und tönt als Vorecho die Namen der 81 Nominierten in 31 Kategorien.
Die besten Chancen, rein statistisch, haben demnach die Pianisten Joachim Kühn und Michael Wollny (je zwei Nomi-
nierungen), übertroffen nur noch von vieren für den Kölner Bassisten Sebastian Gramss. Entschieden ist noch nichts, vielleicht gehen sie leer aus.
Preisverleihungen werden in unserer kleinen Welt gerne als Gelegenheiten zur Daseinsbekundung genutzt, vulgo: als Hinweis auf die gesellschaftliche Relevanz des Jazz. (Dessen Penetranz wegen möchte die Jazzpolizei dieses Wort gerne als „Rällewantz“ schreiben).
Bei diesem Heranwanzen an gesellschaftliche Großtrends steigen dann schon mal Gedanken auf, die man unter Aufbietung aller Höflichkeit als „nicht ganz durchdacht“ bezeichnen möchte.
So strahlt die Vorsitzende der Hauptjury (Beate Sampson, Moderatorin beim BR):

„Die kreative Kraft der internationalen Jazzszene ist ungebrochen, obwohl sich die Pandemiejahre dramatisch auf die Arbeitsbedingungen der Musiker:innen und Komponist:innen auswirken, und nun auch der völkerrechtswidrige Angriffskrieg in der Ukraine dunkle Schatten wirft“.
Woher nimmt der Jazz nur diese Kraft?
Aida Baghernejad, Musikjournalistin und gleichfalls Jurymitglied, lüftet das Geheimnis:
„Jazz ist angewandte Politik, von seinen Anfängen bis zu seinen kontemporären Spielarten auf der ganzen Welt. Und als Popkulturjournalistin ist es mir wichtig, diese Seite des Jazz hervorzuheben und Künstler:innen zu fördern, die Brücken aus der Jazzszene hinaus in die Gesellschaft und in Hiphop, Pop und elektronische Musik schlagen.“ 

Warum nur geht der Jazzpolizei bei diesen Worten ein anderer Beitrag, jüngst ebenso in der SZ, nicht aus dem Kopf?
Eine Reportage über die maroden Brücken der A45.

erstellt: 15.03.22
©Michael Rüsenberg, 2022. Alle Rechte vorbehalten