Pat Metheny & The Heckler

Für George Varga, den Jazzkritiker des San Diego Union-Tribune, war es eine völlig neue Erfahrung:
„In den Jahrzehnten, in denen dieser Autor Konzerte besucht hat, fällt mir kein einziger Fall ein, in dem ein Jazzkünstler ein derart unentschuldbares Verhalten erdulden musste, wie es bei Metheny der Fall war.“
Auch für Pat Metheny war es „eine Premiere“.
In seinen 50 Jahren auf Bühnen weltweit habe er so etwas noch nicht erlebt und leider auch keine Idee, wie damit umzugehen sei.
Zieht man zu Methenys und Vargas persönlichen Erfahrungen noch das Resultat einer Google-Recherche des letzteren hinzu, dann kann man feststellen, dass am 29. Oktober 2023 mit großer Wahrscheinlichkeit zum ersten Male in der Geschichte des Jazz ein Konzert durch einen heckler gestört wurde, durch einen Zwischenrufer; in einem Club oder Konzertraum namens „The Magnolia“ in El Cajon, einem Vorort von San Diego/California.
Der Störer machte sich nicht von den billigen Plätzen aus bemerkbar, er hatte für sich und seine weibliche Begleitung Tickets in der ersten Reihe, Mitte, gebucht.
Er rief laut - was, Varga hat es wohl nicht gehört. Wohl aber bemerkt, dass Metheny „sichtlich überrascht war“.
Zunächst versuchte er, indirekt zu reagieren, mit einer ironischen Bemerkung übers Husten, die von dem Störer ignoriert wurde.
Der Gitarrist trat solo auf. Nachdem das delikate Stück „Message to a Friend“ (aus dem Album „Missouri Sky“ mit Charlie Haden, 1997) gestört worden war, schaltete er auf das rabiate „Zero Tolerance for Silence“ um. Ohne Erfolg.
Auch die verzweifelt-ironische Bemerkung, man solle vielleicht (Komiker) Jerry Seinfeld fragen, was in solch einem Moment zu tun sei, brachte keine Entspannung.
Eine halbe Stunde vor Konzertende brach der Gitarrist mitten in einem Stück ab:
„Metheny asked the audience: ´What should we do?´ Yells of ´Kick him out!´ filled the air.“
Da endlich, „90 Minuten zu spät“ (Varga), erschien ein „security guard“ und eskortierte den Störer nebst Begleitung hinaus.
Die Jazzpolizei ist gespannt, inwieweit dieser vermutlich historische Vorfall die anlaufende Debatte über safe spaces hierzulande beeinflussen wird. Dass selbst ein Weltstar wie Pat Metheny der Fürsorge bedürfen könnte, hatte bislang wohl noch niemand auf dem ticket.

erstellt: 08.11.23
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