What you have missed: Jason Rebello & Tim Garland, Jazzschmiede, Düsseldorf

Es gibt sie noch, die guten Dinge- pardon: die „richtigen“ Jazzkonzerte.
Events, bei denen sich niemand einem Erwartungsmanagement unterwerfen muss.
Die Rollen, auf der Bühne und vor der Bühne, sind seit Jahrzehnten eingespurt, sie folgen quasi dem Merkel´schen Motto des
„Sie kennen mich“.
Und die Zuhörer in der Jazzschmiede Düsseldorf kennen sie fürwahr: Jason Rebello, 54.
Mit 19 debütiert er bei dem britischen Coltrane-Spezialisten Alan Skidmore; erstes eigenes Album mit 21; ab 1998 als Nachfolger von Kenny Kirkland 6 Jahre bei Sting, später 6 Jahre bei Jeff Beck, darunter auf dessen bestem Album „Performing this Week - Live at Ronnie Scotts“ (2007).
Tim Garland, gerade 57 geworden, 17 Jahre („on and off“) bei Chick Corea, parallel bei Bruford. Es hat Thirdstream-Werke komponiert und das wohl größte britische Jazzpiano-Talent der letzten Jahrzehnte, Gwilym Simcock, nicht entdeckt, aber früh gefördert.
Apropos Talent; Rebello & Garland tauchen in keiner der aktuellen Jubeladressen zum britischen Jazz auf, vermutlich disqualifiziert sie ihr Alter dazu - handwerklich stellen sie die Mehrheit der Gehypten in den Senkel.
Was Garland macht, macht er richtig, auf dem Tenorsaxophon (Flöte und Baßklarinette hat er nicht mitgebracht), vor allem aber auf dem Sopran. Herrschaften, was sind das für Läufe! Kraftvoll & ornamental, Phrasierung, angedeutete multiphonics, Intervallsprünge zielgenau; ein, ja man möchte fast sagen - geradezu beängstigendes Gelingen.

Rebello Garland Jazzschmiede   1Das Tenor spielt er in zwei Intros hinein in den Resonanzraum des Flügels, man kann es auch als Echo seines Kirchentrios Acoustic Triangle (mit Simcock) hören.
Jason Rebello ist ein Rhythmiker wie er, gleichfalls verzierungsreich, ein fast so kongenialer Partner wie einst Simcock. Der Chick Corea-Einfluss ist da, ja, aber in der linken Hand spielt er tendenziell bluesiger.
Apropos Chick Corea, nach der Pause kehren die beiden zurück mit dessen „Windows“, von ihm selbst erstmals 1966 aufgenommen, von Duke Ellington, Hubert Laws, Stan Getz. Mit Chick Corea ist der spiritus rector dieses Duos benannt; harmonisch und in ihrer Vorliebe zu Ornamentik sind sie ihm verwandt, ohne dass man durchgängig von „beeinflusst“ sprechen müsste.
Was sie mit ihm teilen, ist ein Hang zum Virtuosentum. Was sie vorstellen, zumeist aus ihrem aktuellen Album „Life to Life“, sind durchgängig Virtuosenstücke. Was sie außerdem mit Corea teilen, ist eine demonstrative Spielfreude, ein inszenierter Übermut, der nie die Form vergisst. Nichts läge ihnen ferner, als ihr Agieren wie Kraftakte erscheinen zu lassen. Sie sind geradezu beseelt von einer tänzelnden Leichtigkeit.
Und dann die Präsentation, Publikumszugewandt. Schon die erste Ansage von Jason Rebello aus dem Goldenen Buch des Entertainment, aktualisiert: das Bemühen um die deutsche Sprache. Er liest er vom handy ab und schließt mit „Habt Geduld mit eurem britischen Freund!“ Prasselnder Beifall.
Die Moderationen durchwirkt von britischem Humor, durchaus auch bezogen auf die Musik: auf den 10/4-Takt in „Samaii for Peace“ oder den ersten Schrei der neugeborenen Tochter Rosa („ein perfektes fis“, Garland), eingewoben in den eleganten Bolero „Rosa Ballerina“.
Die Musiker sprechen als Bühnenpersonen, als personae, als Individuen, die nichts Intimes preisgeben; nichts, was ohne Bezug wäre zur Musik. Wenn Rebello sein „Fire of Benevolence“ einleitet mit Blick auf die Perspektivwechsel, die sich im Alter einstellen („ich bin jetzt schon 54“), braucht die Mehrheit im Auditorium gar nicht zu nicken - sie weiß es.
Ein Abend der Bestätigung, nicht der Irritation.
Und doch gab es Abweichungen, Aktualisierungen des klassischen Jazzformates.
Die Männer, einst exklusiv unter sich, waren noch in leichter Überzahl, es war ein Event für Paare.
Und zum Schluß - nach perfekten kalkulierten Startrampen für Applaus und zwei Standards als Zugabe - verabschiedeten sich die Musiker nicht wie früher mit „see you next time“ (als sich alle noch auf den lokalen Schallplattenhandel verlassen konnten). Sie verwiesen auf die ausliegenden CDs, die sie gleich signieren würden.

erstellt: 04.11.23
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