Die Jazzpolizei, damit erzählt sie nix Neues, zählt gerne.
Sie zählt gerne Rhythmen, schräge, kaputte, ungerade Rhythmen.
Ein Konzert von D/R/A bedeutet unter dieser Voraussetzung Verheissung, ja - aber mehr noch Risiko.
D/R/A ist nicht nur historisch, sondern auch konzeptionell ein Vorläufer von D/L/W.
D/R/A, also Dell/Ramond/Astor, sind auf Jubiläumstour. Das Trio feiert sein Fünfundzwanzigjähres. Und wenn Dell sich und die Seinen deshalb als langlebige working band ausgibt, so ist das zwar formal korrekt, aber nicht durch eine durchgängige Präsenz auf den Bühnen bezeugt.
D/L/W sind dort viel häufger zu sehen.
D/R/A sind wie jene (Dell/Lillinger/Westergaard) Meister, nein Fürsten der metric modulation. Im Gegensatz zu jenen aber gehen D/R/A nicht so freizügig mit der Form um.
Christopher Dell hierin als primus inter pares zu sehen, käme einer groben Untertreibung gleich. Er führt. Und das gilt auch für die Ansprache des Publikums.
Der Vibraphonist stammt aus Darmstadt, wohnt in Berlin, aber im Loft in Köln-Ehrenfeld, da ist er musikalisch zu Hause.
Wie er leis´, ganz leis´, die Stücke ankündigt, gespickt mit ironischen, ja sarkastischen Zusätzen, da steckt auch ein ganz klein wenig Harald Schmidt drin, vielleicht sogar ein Hauch Merkel´sches „Sie kennen mich“.
Ganz sicher nicht die Allerweltparole „Die Leute da abholen, wo sie sind“. Die Leute (viele sind es leider nicht; den Frauenanteil zu zählen, braucht´s nicht mal die Finger einer Hand), sind ja da. Und sie wissen, dass sie nicht alles kapieren werden, trotz großen Hörvergnügens.
Die Ausführung der Stücke wird, mal mehr, mal weniger, von einem seltsamen Murmeln begleitet. Als spontane Referenz mag einem der „mitsingende“ Keith Jarrett einfallen.
Wenn man auf der Suche nach der Klangquelle die Münder absucht, wird klar: Felix Astor, der Schlagzeuger, zählt mit.
Auch Christian Ramond, der Bassist, seltener Christopher Dell. Ramond wird später im Gespräch sagen „Wir müssen mitzählen.“
Eine sonst verpönte Praxis wird hier als notwendig herausgestellt, sie wird Teil der Performance.
Auch hier führt eine erste Referenz in die Irre, der Vergleich mit Konakol, der indischen Trommelsprache. Christian Ramond korrigiert: die Inder vokalisieren die Mikrorhythmen eines Stückes, letztlich die Themen - sie aber heben die Metren hervor.
Alles klar.
Aber wer meint, dann halt mit Astor einen Fünfer zählend mitzuhalten, der scheitert schon daran, wo der Drummer die Einsätze beginnt.
„Hier kann keiner mitzählen!“, erlöst der Sitznachbar die Jazzpolizei.
Und der ist immerhin ein in Jahrzehnten gewiefter Praktiker, auch des Programmierens einer Improvisationssoftware mächtig.
Was ihm gefällt, was allen gefällt, ist, dass die drei von D/R/A agieren, als befänden sie sich in einem Workshop, aber Dinge heraushauen (vor allem Dell und Ramond mit Leichtigkeit), die dort einfach so nicht gelängen.
Sie sind dermaßen selbstsicher, zugleich volllkommen unprätentiös, dass sie nicht mal vorgeben, zum Jubiläum etwas Besonderes sich ausgedacht zu haben. Dell kündigt ein Stück aus dem ersten Repertoire an, also von Ende der 90er, „aber wir spielen es mal drei!“ (whatever that means).
Ein andermal findet Ramond seinen Baß-Part in einer alten Kladde und legt sie auf den Notenständer.
Polymetrischer Zauber altert nicht.
erstellt: 15.11.23
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