Alan Stanbridge
Rhythm Changes
Jazz, Culture, Discourse
Routledge, 2023. New York/NY
ISBN: 978-1-003-28197-9
(E-Book, ca 40 Euro)
Wir wissen nicht, ob Thomas De Maizière dieses Buch je zu Gesicht kommen wird. Wir erlauben uns aber, für eine Rezension die rhetorische Glanzleistung aus seiner Zeit als Bundesinnenmister (2009-2011, 2013-2018) abzuwandeln.
Demnach würden „Teile (des Buches) die Bevölkerung beunruhigen“.
Im Gegensatz zu dem realpolitischen Knallbonbon damals dürfte die Wirkung dieses Bandes in dem mikroskopisch kleinen Teil der Bevölkerung, der sich für Jazz interessiert (und obendrein Jazzbücher auf Englisch liest), allerdings nicht verpuffen.
Er ist darauf angelegt, dem Titel gerecht zu werden und also den Rhythmus zu ändern; er bringt, mit anderen Worten, den Jazzdiskurs ins Wackeln.
In diesem Band, verspricht Stanbridge, "findet der Leser substanzielle und, wie ich hoffe, überzeugende Kritik an Aspekten der wissenschaftlichen Arbeit von Ekkehard Jost, Ingrid Monson, Douglas Malcolm und George Lewis sowie an der idealisierten Rhetorik von Keith Jarrett und seinem Biografen Ian Carr“.
Wer je eine der sieben Rhythm Changes besucht hat (die internationale Jazzkonferenz alterniert eineinhalbjährlich zwischen Birmingham, Amsterdam und Graz), dem/der kann Alan Stanbridge nicht entgangen sein.
Er ist laut, nicht uneitel, für sich einnehmend, heiter. Jeder Anflug von Jazzideologie hat bei ihm einen schweren Stand.
Unvergessen der Moment in Birmingham, 2016, als er nach ihrem Vortrag der nicht ganz unbekannten Jazzforscherin Ingrid Monson hinter der netten Adresse „Dear Ingrid“ sich zu Wort meldet und nachweist, sie sei hier und da ganz sicher nicht Ironie aufgesessen, vulgo: ihre Rückschlüsse bedenklich.
Birmingham, 2016, das war sozusagen das Vorecho zu nunmehr 18 Seiten in diesem Buch, "einer gründlichen Kritik von Ingrid Monsons Analyse von John Coltranes erster Version von ´My Favorite Things´ (1961) gewidmet, in der Monson argumentiert, dass Coltranes Motivation ironisch war und dass solche afroamerikanischen Versionen populärer Lieder den Originalen erheblich ´überlegen´ sind."
Bei den Rhythm Changes bewegt Stanbridge sich wie ein Fisch im Wasser, als Vortragender und als Kommentator; in Graz 2019 hielt er die closing address.
Vieles aus diesem Buch hat er dort bereits vorgestellt. Seit 2009 arbeitet er daran, unter eben dem Titel Rhythm Changes.
Es ist sein Titel, die Macher der Konferenz haben sich ihn bei ihm geborgt.
Die ersten Abschnitte aus der Introduktion verwendet er darauf zu erläutern, wo er den Titel herhat, natürlich aus dem Song „I got rhythm“ von George & Ira Gershwin, aus dem Broadway Musical „Girl Crazy“, 1930. Dass unter „Rhythm Changes“ die Praxis von Jazzmusiker verstanden wird, auf dessen Harmoniegerüst immer neue Themen zu bauen. Dass Charlie Parker mit diesem Nektar 17 neue Stücke geschaffen hat.
„Der Begriff schien mir ein angemessener dynamischer und vielseitiger Titel für eine Sammlung von Aufsätzen über Jazz zu sein“.
Voila, so ist es!
----wird fortgesetzt (der Rezensent liest noch)
erstellt: 09.05.23
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